Bürgergeld: Umzug junger Erwachsener unter 25 Jahren bei Nicht-Leistungsbezug

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Folgende Frage stellen sich immer wieder unter 25 jährige: Können Sie ohne Zusicherung des Jobcenters aus dem elterlichen Haushalt ausziehen, wenn sie kein Bürgergeld beziehen oder welches beantragt haben?

Ist eine Zusicherung des Jobcenters erforderlich, wenn nach erfolgtem Umzug und unmittelbar vor einem Antrag auf Leistungen nach dem SGB 2 keine Hilfebedürftigkeit bestand?

Setzt die die Zusicherung nach § 22 Abs. 5a SGB II auf Mietkostenübernahme für die eigene Wohnung einer unter 25 Jahre alten Hilfesuchenden voraus, dass sich die Zusicherung auf eine konkrete Wohnung beziehen muss?

Muss ich als Antragsteller, wenn ich ausziehen möchte aus dem elterlichen Haushalt wegen familiären Schwierigkeiten immer das Jugendamt einschalten bzw. benötige ich dessen Zustimmung?

Wie ist die Rechtslage bei Folgeumzügen? Anhand von Rechtsprechung und Literatur zum SGB II beantworte ich gerne diese Fragen.

Jobcenter muss nicht zustimmen

Kein Zusicherungserfordernis des Jobcenters, für eine Person unter 25 Jahre, die bei Auszug aus dem elterlichen Haushalt keine Leistungen nach dem SGB II beantragt oder bezogen hat. So jedenfalls das Sozialgericht Stade, Beschluss vom 09.05.2014 – S 6 AS 41/14 ER – (n.v. )

Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Auszug aus elterlichem Haushalt vor Vollendung des 25. Lebensjahres – kein Zusicherungserfordernis bei fehlender Hilfebedürftigkeit bzw Beantragung von Leistungen zum Auszugszeitpunkt – Missbrauchsabsicht

Leitsätze Redakteur
Für Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, greift das in § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II normierte Zusicherungserfordernis nicht, wenn sie im Zeitpunkt des Auszugs aus dem elterlichen Haushalt keine Leistungen nach dem SGB II beantragt oder bezogen haben ( SG Karlsruhe, Urteil vom 6.8.2013, S 12 AS 601/13 ).

Absicht im Sinne des § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II erfordert ein finales auf den Erfolg gerichtetes Verhalten derart, dass die Schaffung der Voraussetzungen für die Leistungsgewährung das für den Umzug prägende Motiv ist.

Liegen die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB ll vor, sind stets die dort genannten anderen Motive prägend und schließen eine leistungsschädliche „Absicht“ aus ( SG Karlsruhe Urteil vom 6.8.2013, S 12 AS 601/13 ).

Es erscheint wirklichkeitsfremd, dass die Entscheidung der Eltern des Antragstellers für den Bezug einer Drei-Zimmer-Wohnung maßgeblich durch das Verhalten des Antragstellers beeinflusst wurde.

Eine Aufnahme des Antragstellers in die neue Wohnung der Eltern ist auf Grund des Zuschnitts der Wohnung unmöglich, des weiteren ist eine gemeinsame Nutzung des Kinderzimmers des Antragstellers mir seiner Schwester auf Grund des erheblichen Altersunterschiedes ( 7 und 24 – jährig ) für den Antragsteller nicht zumutbar. Quelle: RA Jens Hake, Salztorswall 5a, 21682 Stade

Anmerkung:
Diese Entscheidung, ergangen zu Hartz IV-Zeiten lässt sich anstandslos auf das Bürgergeld übertragen, denn auch heute gilt das noch.

Zusammenfassend kann man sagen, damit beantworte ich auch oben stehende Fragen:

Das in § 22 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 SGB II geregelte Zusicherungserfordernis greift nicht ein, wenn – wie vorliegend – ein unter 25-jähriger im Zeitpunkt des Auszugs aus dem Haushalt seiner Eltern keine Leistungen nach dem SGB II beantragt oder bezogen hat.

Sondern ist ausschließlich bei unter 25-jährigen Personen anwendbar, die im Zeitpunkt des Auszuges bereits Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft gewesen sind und Leistungen nach dem SGB II erhalten haben oder doch, ohne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu sein, einem solchen Haushalt angehört haben (im Ergebnis wie hier: SG Karlsruhe, Urteil vom 06.08.2013 – S 12 AS 601/13 -; SG Heilbronn, Beschluss vom 23.03.2011 – S 13 AS 105/11 ER -; Sächsisches LSG, Beschluss vom 14.07.2010 – L 7 AS 175/10 B ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.06.2010 – L 5 AS 155/10 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.11.2007 – L 7 AS 626/07 ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.08.2007 – L 5 AS 29/06 ).

Die Anwendung von § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II erfordert die Absicht, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.
Absicht in diesem Sinne erfordert ein auf den Erfolg gerichtetes Verhalten derart, dass die Schaffung der Voraussetzungen für die Leistungsgewährung das für den Umzug prägende Motiv gewesen ist.

Der mit dem Umzug nur beiläufig verfolgte Leistungsbezug reicht hingegen nicht aus (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 02.07.2009 – L 3 AS 128/08 ).

Der Auszugswillige muss mithin vom Eintreten der Hilfebedürftigkeit durch den Umzug nicht nur Kenntnis haben, sondern der Umzug muss gerade auf dieses Ziel gerichtet sein; es genügt nicht, wenn der Leistungsbezug anderen Umzugszwecken untergeordnet und in diesem Sinne nur billigend in Kauf genommen wird ( LSG BW, Urt. v. 19.10.2015 – L 12 AS 2640/14 – ).

Die Zusicherung nach § 22 Abs. 5 SGB II auf Mietkostenübernahme für die eigene Wohnung einer unter 25 Jahre alten Hilfesuchenden setzt nicht voraus, dass sich die Zusicherung auf eine konkrete Wohnung beziehen muss.

Es ist nicht erforderlich, dass die Hilfesuchende bereits eine neue Unterkunft nachweisen kann( aktuell SG Hildesheim, Beschluss v. 05.06.2024 – S 26 AS 4060/24 ER -, LSG BB, Urt. v. 31.08.2007 – L 5 AS 29/06 ).

Ein schwerwiegender sozialer Grund, der die vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers gem § 22 Abs. 5 SGB 2 entbehrlich macht, kann sich aus einer gestörten Eltern- Kind- Beziehung ergeben, die die Verweisung auf eine Rückkehr in die elterliche Wohnung unzumutbar macht.

Die Anforderungen an den Schweregrad der Störung dürfen dabei nicht überzogen werden (hier: endgültiger Rauswurf des volljährigen Kindes aus elterlicher Wohnung und Abnahme der Wohnungsschlüssel) (vgl BSG vom 2.6.2004 – B 7 AL 38/03 R, Sächs. LSG, Beschluss v. 21.1.2008 – L 2 B 621/07 AS – ER – ).

Die Einschaltung des Jugendamtes ist nicht Voraussetzung aber Indiz dafür, dass der notwendige Schweregrad erreicht ist ( vgl. Sächsisches LSG, Beschluss v. v. 21. 01.2008 – L 2 B 621/07 AS-ER).

Kein Erstauszug sind Folgeumzüge (wegen Verlust des Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatzes, wegen Wegfall der Unterstützung durch eheähnliche/n Partnerin nach einem einmal genehmigten Erstauszug).

Der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 5 SGB II ist auch dann nicht gegeben, wenn eine Bedarfsgemeinschaft mit mindestens einer Person unter 25 Jahren gemeinsam umzieht.

Dies betrifft regelmäßig die Fälle, in denen junge Volljährige nicht aus dem elterlichen Haushalt ziehen, um einen eigenen Hausstand zu gründen, sondern die Wohnung von der gesamten Bedarfsgemeinschaft aufgegeben werden musste (z. B. Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter).

Beziehen beide Elternteile Bürgergeld und leben in getrennten Haushalten, ist der Umzug des leiblichen Kindes kein Erstauszug und somit auch nicht genehmigungspflichtig seitens des Jobcenters.

Hinweis: Bürgergeld: Keine Absenkung der Regelleistung im Eilverfahren bei erforderlichem Umzug aus elterlichem Haushalt bei unter 25 – jähriger Antragstellerin.