Eine Familie muss wegen 11,20 € nicht umziehen, denn unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit des Umzuges, ist ein solcher der Familie nicht zumutbar gewesen (SG Hildesheim, Urteil vom 01.10.2024 – S 27 AY 48/22 -).
Leistungen nach dem AsylbLG, Kosten der Unterkunft, Unzumutbarkeit eines Umzuges
Die monatliche Differenz zu den grundsätzlich angemessenen Kosten hat 11,20 € betragen. Denn im Normalen verzichten Nicht-Leistungsbezieher von Bürgergeld/ Sozialhilfe bei so einem Betrag auf den Umzug.
Personen, die gerade so nicht leistungsberechtigt nach dem SGB XII oder SGB II wären, würden zur Senkung eines solchen Betrages nach allgemeiner Lebenserfahrung auf einen Umzug verzichten, weil die bei einem Umzug zu erwartenden Mehrkosten diesen Betrag um ein Vielfaches übersteigen und damit einen Umzug nicht lohnenswert machen.
Dies ist auch bei Leistungsempfängern von Transferleistungen zu berücksichtigen, zumal die Mehrkosten ebenfalls vom Steuerzahler zu tragen wären.
Praxistipp: LSG Niedersachsen- Bremen, Urt. v. 27. November 2014 – L 8 SO 112/11 –
Es bedarf stets der Prüfung aller Umstände des Einzelfalles, ob auch bei einem Überschreiten der Angemessenheitsgrenze die Übernahme der tatsächlichen Kosten im Ausnahmefall gerechtfertigt ist (etwa wegen subjektiver Unzumutbarkeit des Wohnungswechsels aufgrund gesundheitlicher Gründe oder wegen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit).
Hinweis zum Bürgergeld/Sozialhilfe – Umzug unzumutbar
In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob sich aus Einzelfallumständen ein abweichender Leistungsanspruch ergibt.
Insbesondere grundrechtsrelevante Sachverhalte oder Härtefälle können es als unzumutbar erscheinen lassen, das nähere Umfeld oder gar die aktuell genutzte Wohnung zu verlassen.
Maßgebend sein können hier die Rücksichtnahme auf das soziale und schulische Umfeld von minderjährigen schulpflichtigen Kindern, die Rücksichtnahme auf eine besondere Infrastruktur bei Alleinerziehenden (vgl. dazu beispielsweise: BSG, Urteil vom 22.08.2012 – B 14 AS 13/12 R -), die Ermöglichung des Verbleibs eines betreuenden Familienangehörigen im Umfeld von Pflegebedürftigen (vgl. dazu beispielsweise: BSG, Urteil vom 15.06.2016 – B 4 AS 36/15 R – ).
Behinderungsbedingte Zugangshemmnisse zum Wohnungsmarkt (vgl. dazu beispielsweise: BSG, Urteil vom 06.10.2022 – B 8 SO 7/21 R – ), der besondere Ausstattungsbedarf der Wohnung eines Allergikers (vgl. dazu beispielsweise: LSG Niedersachsen/Bremen, Beschluss vom 11.08.2005 – L 7 AS 164/05 ER -).
Sonstige gesundheitliche Gründe, die eine besondere Infrastruktur oder ein spezielles soziales Umfeld erfordern (vgl. dazu beispielsweise: BSG, Urteil vom 15.06.2016 – B 4 AS 36/15 R -).
Schwangerschaft, ein ohnehin aus anderem Grunde anstehender weiterer Umzug, ein alsbaldiges Ausscheiden aus dem Leistungsbezug (vgl. dazu beispielsweise: SG Düsseldorf, Beschluss vom 08.08. 2006 – S 35 AS 172/06 ER – ) sowie die besondere Situation von älteren Menschen, die zunehmend immobiler werden (vgl. dazu beispielsweise: BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 41/08 R -; BSG, Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 24/08 R – ).
Die Aufgabe des sozialen Umfeldes steht in der Regel dem Umzug nicht entgegen. Denn jeder Umzug ist in gewissem Maße mit einer Veränderung des sozialen Umfeldes verbunden (BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R – ).
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.