Bürgergeld: Verstößt das Jobcenter gegen Beratungspflicht, muss es die Mietkaution übernehmen

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Wenn das Jobcenter gegen die Beratungspflicht verstößt, muss die Behörde die Mietkaution zahlen. Es obliegt dem JobCenter die Pflicht, Hilfebedürftige bei Vorsprachen anlässlich eines beabsichtigten Umzuges darüber aufzuklären, dass die Übernahme von Mietkautionskosten nur dann erfolgen kann, wenn eine vorherige schriftliche Zusicherung erteilt worden ist (Spontanberatungspflicht nach § 14 SGB 1).

Die nötige Kausalität ist zum Beispiel gegeben, wenn die Hilfebedürftige bei ordnungsgemäßer Beratung durch das JobCenter zunächst ein Frauenhaus aufgesucht hätte und nicht den Mietvertrag sofort unterschrieben hätte, sondern das Zusicherungsverfahren abgewartet hätte.

Der Umzug muss auch erforderlich gewesen sein

Ein Umzug ist zum Bsp. notwendig, wenn eine häusliche Bedrohung durch den Lebensgefährten vorliegt (hier u.a. Bedrohung mit Salzsäure ).

Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

Die rechtswidrige Verletzung einer Pflicht aus einem Sozialrechtsverhältnis ist als Voraussetzung für das Bestehen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu sehen.

Erkennbarkeit des Beratungsbedarfs eines Antragstellers als Grund für das Entstehen einer behördlichen Beratungspflicht muss gegeben sein.

Herstellung eines ohne behördliche Pflichtverletzung hypothetisch bestehenden Zustandes als Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, wenn die Voraussetzungen vorlagen.

Fazit

Eine von Gewalt bedrohte Bürgergeldempfängerin hat Anspruch auf die Übernahme ihrer Mietkaution durch das Jobcenter, auch wenn der Mietvertrag vorher unterschrieben wurde, eine Zusicherung seitens des JobCenters nicht vor lag, aber das JobCenter es unterlassen hat, die Antragstellerin darauf hin zu weisen, dass vorher eine schriftliche Zusicherung vorliegen muss ( § 34 SGB X ).

Praxistipp

Behördenwillkür: Jobcenter lehnt Mietkaution für von häuslicher Gewalt bedrohte Mutter und ihre 3 Kinder ab

Wissenswertes zur Beratungspflicht der JobCenter und Sozialhilfeträger – Rechtsgrundlage für die Beratungspflicht in Form einer Hinweispflicht sind zum einen §§ 14, 15 SGB I und § 11 SGB XII
Eine umfassende Beratungspflicht des Sozialversicherungsträgers bzw. des Sozialleistungsträgers besteht zunächst regelmäßig bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Versicherten.

Wie das Bundessozialgericht mit Urteil vom 8. Februar 2007 (B 7a AL 22/06 R) entschieden hat, besteht ausnahmsweise jedoch auch dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des Versicherungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung dem jeweiligen Mitarbeiter eine nahe liegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre.

Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage liegt, allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen. Sie liegt jedenfalls nahe, wenn sie im Gesetz ausdrücklich geregelt ist.

Eine derartige Verpflichtung zur Spontanberatung trifft den Sozialleistungsträger insbesondere im Rahmen eines Sozialrechtsverhältnisses.

Zum Leistungsrecht der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach dem SGB III hat der 7. Senat des BSG entschieden, dass ein solches Sozialrechtsverhältnis bereits durch die Arbeitslosmeldung bzw. die Antragstellung bei der BA entsteht.

Es besteht keine Veranlassung, Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II hinsichtlich ihrer Hinweis- und Beratungsrechte anders zu behandeln als Antragsteller nach dem SGB III.

Die §§ 14, 15 SGB I beanspruchen insofern Geltung in allen Büchern des SGB (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 63/06 R- ; SG Berlin, Urt. v. 06.05.2024 – S 126 AS 141/22 – ).

§ 14 Satz 1 SGB I, wonach jeder Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch hat, ist umfassend zu verstehen (BSG, Urteil vom 3. Juli 2020 – B 8 SO 2/19 R – ). Die Beratungspflicht besteht insbesondere dann, wenn die in Frage stehenden Leistungen verfahrensrechtlich miteinander verknüpft sind.

Daneben regelt § 11 SGB XII spezielle Beratungspflichten der Träger der Sozialhilfe.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB XII sind die Leistungsberechtigten u.a. auch für den Erhalt von (anderen) Sozialleistungen zu „befähigen“. Hieraus folgt, dass die Beratungspflicht nicht auf das vom betreffenden Sozialleistungsträger anzuwendende Recht beschränkt ist.

Letztlich dürfte diese spezielle Beratungspflicht alle Möglichkeiten umfassen, den Nachranggrundsatz der Sozialhilfe zu verwirklichen.

Fehlt es an einem konkreten Beratungsersuchen des Betroffenen, so besteht eine Pflicht zur sog. Spontanberatung dann, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich wird, die ein verständiger Betroffener wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre; das Ersichtlichwerden einer naheliegenden Gestaltungsmöglichkeit, ist allein nach objektiven Merkmalen zu bestimmen (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 29/10 R –).

Auf den Kenntnisstand oder die Aufmerksamkeit des jeweiligen Mitarbeiters kommt es daher nicht an.