Wenn Sie Bürgergeld oder andere Sozialleistungen beziehen, dann müssen Sie Änderungen bei Ihren Verhältnissen der zuständigen Behörde unverzüglich mitteilen, sofern diese Auswirkungen auf die Leistung haben.
Was bedeutet aber „unverzüglich“? Das Kammergericht Berlin hat mit einem Entschluss für Klarheit gesorgt. (3 Ors 20/23)
Wir zeigen, welche Maßstäbe das Gericht gesetzt hat, was das für Sie als Bezieher von Sozialleistungen bedeutet und worauf Sie achten müssen.
Inhaltsverzeichnis
Es droht der Vorwurf des Sozialbetrugs
Wenn Sie eine Änderung Ihrer Lebensverhältnisse der Sozialbehörde nicht rechtzeitig melden und dadurch Leistungen bekommen, auf die Sie keinen Anspruch mehr hätten, dann kann das zu einer Verurteilung wegen Sozialbetrugs führen.
Was bedeutet schuldhaftes Zögern?
Im konkreten Fall beschuldigte die Behörde den Angeklagten, die Behörde über eine Änderung seiner Verhältnisse nicht rechtzeitig informiert zu haben. Das Gericht befasste sich damit, zu welchem Zeitpunkt der Betroffene die Änderung hätte weiterleiten müssen.
Dabei ging es um den Zeitpunkt des „schuldhaften Zögerns“, also darum, bis wann es für den Leistungsbezieher möglich (und nötig) war, die Mitteilung zu machen.
Wann liegt Betrug durch Unterlassen vor?
Wenn jemand Sozialleistungen bezieht, sich seine Verhältnisse ändern und er dies nicht meldet, sodass er weiterhin Leistungen erhält, die ihm nicht mehr zustehen, kann Betrug vorliegen. Dies gilt besonders dann, wenn die Person um ihre Mitteilungspflicht weiß und nicht beabsichtigt, das unrechtmäßig bezogene Geld zurückzuzahlen.
Wenn er nicht weiß, dass er die Veränderung mitteilen musste, dann ist das Versäumnis kein Betrug, da keine Absicht unterstellt werden kann.
In diesem Fall sah das Gericht einen Betrug durch Unterlassen als Tatdelikt, weil der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt die Bereitschaft gezeigt hätte, die Behörde zu informieren:
„Da ein Leistungsberechtigter nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet ist, leistungsrelevante Änderungen seiner Verhältnisse unverzüglich mitzuteilen, ist darauf abzustellen, zu welchem Zeitpunkt es für ihn ohne schuldhaftes Zögern möglich ist, die erforderlichen Angaben zur Änderung seiner (Arbeits-) Verhältnisse zu machen.“
Kein Wille zur Rückzahlung
In diesem Fall sah das Gericht eindeutig, dass der Angeklagte erstens die Änderungen nicht rechtzeitig gemeldet hatte, zweitens seine Mitteilungspflicht kannte und drittens die Änderungen nicht melden wollte.
Denn den überzahlten Betrag zahlte er erst zurück, nachdem die Behörde ihn dazu aufgefordert hatte.
Das Gericht erläuterte: „Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges. Die Auffassung des Verteidigers, der Eintritt eines Schadens sei dann zu verneinen, wenn der Täter von Anfang an von einer „Kompensation seiner Unterlassung“ ausgeht und von vornherein bereit ist, den Erfolg zu beseitigen, und dass ein solcher Täter mangels „Beendigungsvorsatzes“ ohne Bereicherungsabsicht handele, vermag nicht zu überzeugen.“
Eine von der vorherigen Instanz verhängte unbedingte Freiheitsstrafe sei demnach rechtens, und die Revision wurde verworfen.
Wann liegt Vorsatz vor?
Vorsatz bedeutet, dass ein Täter die Umstände kennt, in denen er handelt und die strafrechtlich entscheiden, und dass er diese Handlung begehen will. „Schuldhaftes Zögern“ ist hier differenziert zu betrachten, denn es lässt sich auch so interpretieren, dass es ursprünglich keinen Vorsatz gab und damit auch keine Betrugsabsicht.
Was bedeutet das Urteil für Sie als Bürgergeld-Bezieher?
Das Urteil ist erst einmal ein klarer Präzedenzfall, der anderen Gerichten zeigt, nach welchen Kriterien sie in ähnlichen Fällen entscheiden können. Für Sie als Bürgergeld-Bezieher zeigt es, wie ernst die juristischen Folgen sein können, wenn Sie es unterlassen, eine Änderung Ihrer persönlichen Verhältnisse zeitnah zu melden.
Bei Betrug droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine hohe Geldstrafe.
Sie können nicht davon ausgehen, dass im Ernstfall ein Gericht Ihnen glaubt, dass Sie nicht von Ihrer Mitteilungspflicht wussten, vergessen haben, die Änderung zu melden oder überzahltes Geld freiwillig zurückzahlen wollten.
Wann besteht die Pflicht, Änderungen zu melden?
Wenn Sie Sozialleistungen wie Bürgergeld beziehen, dann beginnt die Pflicht, Änderungen in Ihren Verhältnissen, die den Leistungsbezug beeinflussen, zu melden ab dem Tag, an dem Sie Ihren Antrag stellen und reicht bis zum Ende der bewilligten Leistungen.
Um welche Änderungen geht es?
Zu den Änderungen, die Sie melden müssen, gehören ein verändertes Einkommen, eine Nebenbeschäftigung, der Bezug weiterer Sozialleistungen, und dazu kann auch ein geplanter Umzug gehören oder der Einzug eines Untermieters.
Was bedeutet unverzüglich?
Laut Paragraf 60 im Sozialgesetzbuch I sind Änderungen unverzüglich mitzuteilen. Unverzüglich ist dabei nicht als gesetzliche Frist festgelegt, bedeutet aber in der Regel innerhalb von drei Tagen nach dem Eintreten der entsprechenden Änderung.