23.000 Euro für Überstunden sind kein Hinzuverdienst, welcher die Erwerbsminderungsrente mindert ( § 96a Abs. 1 SGB VI ).
Eine Überstundenvergütung, die vor vielen Jahren ausschließlich vor der Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung abgeleistet wurde, ist nicht als Hinzuverdienst gemäß § 96a SGB VI (in der vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Fassung) anzurechnen.
Dieses Hammer Urteil gibt mit heutigem Tage das Landessozialgericht Sachsen – Anhalt bekannt ( L 3 R 325/22 – Revision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen ).
DRV sieht Hinzuverdienstgrenzen überschritten
Die Richter des Landessozialgerichts Sachsen folgten – nicht der Auffassung des Rentenversicherungsträgers, wonach die Abgeltung von den im Dispositions- und Langzeitkonto erfassten Mehrarbeitsstunden i.H.v. 975,25 € und 22.106,43 € im Rahmen einer Einmalzahlung als voraussichtlicher kalenderjährlicher Hinzuverdienst habe berücksichtigt werden können.
Denn dieses Arbeitsentgelt in Form der Überstundenvergütung ist nicht als Hinzuverdienst im Sinne von § 96a Abs. 1 SGB VI zu qualifizieren.
Denn ein Hinzuverdienst liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn das Arbeitsentgelt nicht nur während des Rentenbezugs tatsächlich geflossen ist, sondern dieser Zeit auch rechtlich zugeordnet werden kann.
Nur in diesem Fall kann die Rente ihrer Funktion als Kompensation für auf gesundheitlichen Einschränkungen beruhenden wirtschaftlichen Nachteilen gerecht werden (vgl. zur bis zum 30. Juni 2017 geltenden Rechtslage BSG, Urteil vom 12. März 2019 – B 13 R 35/17 R -).
Das Erfordernis einer zeitlich-rechtlichen Kongruenz ergibt sich auch nach Neufassung der §§ 96a und 34 SGB VI durch das Flexirentengesetz weiterhin aus dem Willen des Gesetzgebers, der Systematik sowie aus Sinn und Zweck des § 96a SGB VI i.V.m. § 34 Abs. 3c bis 3g SGB VI in der ab dem 1. Juli 2017 geltenden Fassung.
Hier besteht eine zeitlich-rechtliche Kongruenz bei den Geldleistungen insoweit, als der Klägerin aufgrund des Rentenbewilligungsbescheides vom 22. März 2021 ab dem 1. Dezember 2019 ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zustand, ab dem 1. Mai 2021 die laufende Rentenzahlung aufgenommen wurde und ihr ebenfalls im Mai 2021 und damit – während des Rentenbezugs – die Abgeltung der Überstunden zugeflossen ist.
Es fehlt an der zeitlichen Zuordnung des Entstehens des Anspruchs auf Überstundenabgeltung zum Rentenbezug
Denn der Auszahlung der Überstundenabgeltung liegt – ausschließlich – die Ansammlung von Arbeitsstunden im Zeitraum bis zum 4. November 2019 zugrunde, und damit in einem Zeitraum, der viele Jahre vor dem Rentenbezug liegt.
Bereits im Dezember 2010 wurden der Klägerin ausweislich der Insolvenzsicherungsbestätigung vom 15. Dezember 2010 657,68 gesicherte Stunden bescheinigt, im Dezember 2020 waren es 865,90 Stunden.
Das Zahlenverhältnis zeigt, in wie vielen Jahren vor Rentenbeginn diese Stunden erarbeitet wurden. Sinn und Zweck der Speicherung von Überstunden im Langzeitkonto war die spätere Entnahme von Freizeit.
An die Stelle des erarbeiteten Arbeitsentgelts sollte Freizeit treten. Das Ansparen eines Entgeltanspruchs sollte damit regelhaft nicht erzielt werden. Die Umwandlung in eine entgeltliche Abgeltung war nur für den ausnahmsweise eintretenden Störfall vorgesehen.
Die Erwägungen zur Anrechenbarkeit von Urlaubsabgeltungsansprüchen (vgl. BSG, Urteil vom 6. September 2017 -B 13 R 21/15 – ) sind hier nach Auffassung des Senats nicht übertragbar.
Fazit:
Die Rentenversicherung hat zu Unrecht die Überstundenabgeltung als Hinzuverdienst berücksichtigt.
Die Vergütung von Überstunden, die vor vielen Jahren ( fast 9 Jahre ) ausschließlich vor der Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung abgeleistet wurden, ist nicht als Hinzuverdienst gemäß § 96a SGB VI (in der vom 1. Juli 2017 bis zum 31. Dezember 2022 geltenden Fassung) anzurechnen.
Praxistipp
LSG NRW, Urt. v. 08.03.2022 – L 18 R 164/21 – rechtskräftig – Die Revision zum Bundessozialgericht Az. B 5 R 11/22 R ist am 30.08.2022 zurück genommen worden.
Überstunden des Vorjahres zählen nicht zum Hinzuverdienst, denn diesen Zahlungen liegt eine konkrete Arbeitsleistung zugrunde, die der Arbeitnehmer zu einem früheren Zeitpunkt vor Rentenbezug erbracht hat.
Bundessozialgericht – Tipp zu anhängigen Rechtsfragen
Vorinstanz: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, L 12 R 54/23, 22.08.2024 – Revision anhängig beim BSG unter dem Az. : B 5 R 12/24 R
Einmalzahlungen wie (einmalig – nach – gezahltes Arbeitsentgelt), die nach Rentenbeginn aus einem zuvor bereits aufgrund arbeits- oder tarifrechtlicher Vorschriften ruhenden bzw. beendeten Beschäftigungsverhältnis gezahlt werden, stellen keinen rentenschädlichen Hinzuverdienst dar bei der Erwerbsminderungsrente.