Jobcenter stoppte Bürgergeld wegen unbelegter Gerüchte

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Ein bloßer Verdacht reichte offenbar aus, um Bürgergeld-Leistungen einzustellen. Von so einem Fall berichtet der Sozialberater Ulrich Wockelmann vom Iserlohner Verein “Aufrecht e.V.”.

Was war passiert?

Am 10. September 2024 berichtete ein Ehepaar keine Bürgergeldleistungen für September erhalten zu haben. Mehrere Anrufe durch den Sozialberater beim Jobcenter Märkischer Kreis führten zunächst zu widersprüchlichen Auskünften.

Später wurde mitgeteilt, dass eine Zahlsperre verhängt worden sei. Eine detaillierte Begründung oder Möglichkeit zur Anhörung wurde den Betroffenen zunächst nicht gegeben.

Jobcenter verhängte ohne Bescheid Zahlsperre

Eine Zahlsperre bedeutet, dass Sozialleistungen nicht ausgezahlt werden, solange bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt sind oder Unklarheiten bestehen. Gesetzlich geregelt ist, dass eine Zahlungssperre nur in gut begründeten Ausnahmefällen und nach sorgfältiger Prüfung verhängt werden darf. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs – also die Möglichkeit der Betroffenen, ihre Sicht darzustellen – ist hierbei rechtlich vorgegeben.

In diesem Fall war der Vorwurf, das Ehepaar halte sich nicht an der gemeldeten Adresse auf. Diese Annahme wurde jedoch nicht durch Fakten untermauert. Der Mietvertrag und der gesamte Schriftverkehr mit dem Jobcenter belegten, dass das Paar seit sieben Jahren in der gleichen Wohnung lebt.

Es drängte sich mehr und mehr der Verdacht auf, dass ein unbelegtes Gerücht ausreichte, um die drastische Maßnahme einer Zahlungseinstellung zu veranlassen.

Nur ein Eilantrag beim Sozialgericht konnte helfen

Nachdem die Bürgergeldleistungen auch im Oktober ausblieben, entschloss sich das Ehepaar, einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung beim Sozialgericht Dortmund zu stellen. Dies dient dazu, in dringenden Fällen schnell gerichtlichen Schutz zu erhalten.

Am 8. Oktober 2024 reichten die Betroffenen den Antrag ein. Bereits einen Tag später reagierte das Jobcenter mit einem Bescheid über die “vorläufige Zahlungseinstellung”. Erst zu diesem Zeitpunkt erhielten die Betroffenen eine schriftliche Begründung.

Die Erklärung, dass der aktuelle Wohnort angeblich unbekannt sei, konnte jedoch mit einfachen Beweisen widerlegt werden. Dennoch mussten Wochen vergehen, bis das Sozialgericht Dortmund am 13. November 2024 mit dem Beschluss S 35 AS 2615/24 ER die vorläufige Zahlungseinstellung aufhob.

Ein bloßes Gerücht reichte aus

Der Fall zeigt,  was die Folgen von unbelegten Behauptungen und mangelnder Prüfung in der Verwaltung sein können. So genügte offenbar der Sachbearbeiterin ein bloßes Gerücht, um eine Zahlsperre zu verhängen. Eine solche Praxis widerspricht nicht nur den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, sondern auch dem sozialen Auftrag der Jobcenter.

Eine sorgfältige Sachverhaltsaufklärung hätte den Vorwurf schnell widerlegen können. Stattdessen wurden die Betroffenen in existenzielle Nöte gestürzt.

Keine Seltenheit

Aus unserer Praxis wissen wir, dass solche Fälle leider keine Seltenheit sind. Immer wieder kommt es zu voreiligen Leistungseinstellungen durch die Jobcenter. Zudem sind die Behörden oft schwer erreichbar, so dass nicht selten Wochen oder gar Monate vergehen, bis die Angelegenheit geklärt ist.

In dieser Zeit befinden sich die Betroffenen aber in einer echten Notlage, weil weder die Miete bezahlt wird noch Geld für Lebensmittel vorhanden ist. Wenn der Gang zum Jobcenter nicht hilft, kann ein Eilantrag beim zuständigen Sozialgericht helfen, das Jobcenter zur Zahlung zu zwingen.