Das Urteil einer Witwe, die trotz einer 25 Jahre andauernden Ehe keinen Anspruch auf eine betriebliche Witwenrente hat, sorgt für Verwunderung. Das Arbeitsgericht Hamburg (Az: 4 Ca 313/22) urteilte, wie wichtig der Zeitpunkt des Renteneintritts für die Beurteilung einer Hinterbliebenenversorgung sein kann. Das Urteil zeigt zudem, dass selbst langjährige Ehen nicht zwangsläufig zu einem Anspruch auf eine betriebliche Hinterbliebenenrente führen müssen.
Wie begann der Fall?
Die Witwe und ihr inzwischen verstorbener Ehemann waren bereits im Jahr 1996 den Bund der Ehe eingegangen. Drei Jahre später, im Jahr 1998, trat der Ehemann seinen Ruhestand an und bezog ab diesem Zeitpunkt eine Betriebsrente von seinem ehemaligen Arbeitgeber. Ganze 25 Jahre nach der Eheschließung verstarb er schließlich. Seine Ehefrau stellte daraufhin einen Antrag auf Hinterbliebenenversorgung. Das Unternehmen lehnte diesen ab.
Fünf-Jahres-Grenze
Der Arbeitgeber begründete seine Ablehnung mit einer Klausel, die in vielen betrieblichen Versorgungswerken zu finden ist. Sie legt fest, dass eine Ehe zum Zeitpunkt des Rentenbeginns mindestens fünf Jahre bestanden haben muss, damit die Hinterbliebene oder der Hinterbliebene einen Anspruch auf die betriebliche Rente geltend machen kann.
Da das Ehepaar zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts erst drei Jahre verheiratet war, griff die Klausel und verhinderte so den Rentenanspruch der Witwe.
Die Witwe empfand diese Regelung als Benachteiligung. Sie sah sich persönlich und möglicherweise auch als Frau diskriminiert, da sie über viele Jahre verheiratet war und nun trotz der langen Ehe keinen Anspruch auf eine betriebliche Hinterbliebenenrente erhalten sollte. In ihrer Argumentation berief sie sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und auf das Diskriminierungsverbot der Europäischen Union. Nach ihrer Auffassung führe die Fünf-Jahres-Grenze zu einer Ungleichbehandlung, die nicht gerechtfertigt sei.
So urteilte das Arbeitsgericht Hamburg
Das Arbeitsgericht Hamburg folgte der Argumentation der Klägerin nicht. Es kam zu dem Schluss, dass die Fünf-Jahres-Klausel in der betrieblichen Versorgungsordnung sachlich gerechtfertigt sei.
Die Richter führten an, dass Unternehmen durch diese Regelung eine bessere finanzielle Planungssicherheit erhalten, da derartige Hinterbliebenenrenten mitunter über viele Jahre hinweg gezahlt werden müssten. Die Klausel gelte zudem für Männer und Frauen gleichermaßen und verstoße somit weder gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz noch gegen europäische Diskriminierungsverbote.
Welche Bedeutung hat das Urteil für andere Betroffene?
Das Urteil zeigt, dass betriebliche Versorgungsordnungen mit einer zeitlich festgelegten Mindestdauer der Ehe rechtlich Bestand haben können.
Wer erst kurz vor dem Ruhestand heiratet oder dessen Ehe zum Zeitpunkt des Rentenbeginns nur wenige Jahre bestanden hat, muss damit rechnen, keinen Anspruch auf eine betriebliche Witwen- oder Witwerrente zu erhalten. Entscheidend ist also nicht allein die tatsächliche Ehejahre, sondern der genaue Zeitpunkt, an dem der Rentenbezieher in den Ruhestand getreten ist. Für Betroffene ist es sinnvoll, sich frühzeitig zu informieren und zu prüfen, welche Vorgaben das jeweilige Versorgungswerk enthält.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Fall?
Der Fall zeigt, dass langes Eheleben allein keine Garantie für den Bezug einer Hinterbliebenenleistung aus einer Betriebsrente ist. Unternehmen haben ein legitimes Interesse, ihre finanziellen Verpflichtungen zu kalkulieren und Verträge entsprechend zu gestalten.
Aus Sicht der Witwe wirkt das Urteil hart und mag Unverständnis hervorrufen, vor allem weil die Ehe im Zeitpunkt ihres Endes immerhin 25 Jahre bestanden hatte. Doch rechtlich betrachtet stützte sich das Gericht auf bestehende betriebliche Klauseln und stellte klar, dass diese nicht gegen übergeordnete Diskriminierungs- oder Gleichbehandlungsgrundsätze verstoßen.
Die Quintessenz des Urteils bleibt, dass das Arbeitsgericht Hamburg dem Arbeitgeber Recht gab und die Fünf-Jahres-Grenze für zulässig erklärte. Für die betroffene Witwe bedeutet das, dass sie trotz einer Vierteljahrhundert-Ehe keine betriebliche Witwenrente erhält, weil die Ehe beim Renteneintritt ihres Mannes nur drei Jahre bestanden hatte. Das Urteil unterstreicht damit die Relevanz des Beginnzeitpunkts der Betriebsrente und macht deutlich, wie wichtig es ist, die Feinheiten von Betriebsrentenregelungen genau zu kennen.