Krankengeld: Vertragsarzt nicht zwingend für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

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Ärztliche Bescheinigung reicht für Krankengeld – es muss kein Arzt der Krankenkasse sein. Wenn ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, dann gilt dies auch in einem Entlassungsschreiben aus der Rehabilitation und rechtfertigt auch in diesem Fall den Bezug von Krankengeld. So entschied das Hessische Landessozialgericht gegen die zuständige Krankenkasse. (L 1 KR 282/19)

Krankenkasse verweigert Krankengeld

Der Betroffene beansprucht von der Krankenversicherung ein Krankengeld von 802,71 Euro brutto für eine strittige Zeit von acht Tagen im Mai (5. Mai bis 13. Mai).

Er arbeitete als Geräteführer und wurde arbeitsunfähig, nachdem er an Nierenkrebs erkrankt war. Er erhielt eine Nierentumorresektion, dann folgte eine stationäre Behandlung im Urologischen Kompetenzzentrum für  Rehabilitation der Kliniken Hartenstein.

Eingliederung nicht erfolgversprechend

Hier kam es zu dem strittigen Punkt. Die am 24. April eingegangene Entlassungsmitteilung der Klinik sagt aus, dass der Betroffene arbeitsunfähig ist. Eine “Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung” hält eine stufenweise Eingliederung für nicht erforderlich, da diese voraussichtlich die Arbeitskraft nicht wiederherstelle.

Arbeitsunfähigkeit auch nach Beendigung der Reha

Ebenfalls am 24. April stellte sein behandelnder Arzt dem Erkrankten bis zum 4. Mai eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, die die Krankenkasse am 20. April erhielt. Es folgten weitere Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit, mit der immer gleichen Diagnose einer „bösartigen Neubildung der Niere (C64G).

Versicherung will nicht für den gesamten Zeitraum zahlen

Die Versicherung genehmigte Krankengeld für folgende Zeiträume:

  • vom 25. April bis 4. Mai,
  • sowie für den 14. Mai.

Für den Zeitraum vom 5. Mai bis zum 13. Mai verweigerte sie jedoch die Zahlung. Als Begründung führte die Versicherung an, dass die Arbeitsunfähigkeit erst am 16. Mai erneut ärztlich attestiert wurde. Da zwischen dem letzten attestierten Datum und der neuen Feststellung mehr als eine Woche vergangen sei, habe der Anspruch in diesem Zeitraum geruht.

Der Kläger legte Widerspruch ein, die Versicherung wies diesen ab, der Betroffene zog vor das Sozialgericht und nachdem dieses seine Klage bestätigt hatte, kam es zum Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht.

Der Entlassungsbericht ist gültig

Beide Instanzen sahen den Erkrankten im Recht und verwiesen darauf, dass der Entlassungsbericht vom 24. April gültig sei. Dieser erkläre den Kläger für arbeitsunfähig mit der Diagnose „Nierenzellkarzinom im Tumorstadium pT1a RO, Nierentumorresektion links am 6. März 2018 sowie Erschöpfungssyndrom“.

Weiter steht in diesem Bericht, dass der Betroffene vermutlich zwar seine berufliche Tätigkeit wieder ausüben könne. Doch stufenweise Wiedereingliederung könne dies nicht beschleunigen:

„Eine tägliche Mindestarbeitszeit von zwei Stunden könne aufgrund der psycho-physischen Belastung innerhalb von vier Wochen nicht erreicht werden.“

Laut Krankenkasse ersetzt Reha-Mitteilung keine Bescheinigung

Die Krankenkasse argumentierte, dass eine Reha-Entlassungsmitteilung grundsätzlich keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ersetzen könne. Weder weise sie einen Arbeitsunfähigkeitszeitraum noch den Tag der ärztlichen Feststellung oder die Arbeitsunfähigkeit begründenden Diagnosen aus.

Unklarheit über Bescheinigung der Reha-Klinik

Die Ärzte in der medizinischen Rehabilitation dürften keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen. Der Versicherte müsste die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse melden.

Die Entlassungsmitteilungen würden ausschließlich den Krankenkassen übermittelt, um die Voraussetzungen für eine stufenweise Wiedereingliederung zulasten der Renten- oder Krankenversicherung zu prüfen.

Die Checkliste, die instabile Narben festhalte, sei bereits am 9. April verfasst worden und damit fast zu Beginn der Maßnahme. Es sei fraglich, ob dies bei der Entlassung gegolten habe.

Zudem sei unklar, ob die Person, die unterschrieben hätte, berechtigt sei, eine solche Bescheinigung zu verfassen. Deshalb sei das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage zurückzuweisen.

Gericht weist Berufung zurück

Das Landessozialgericht erklärte die Berufung jedoch für unbegründet. Die Krankenversicherung muss das Krankengeld für den strittigen Zeitraum zahlen.

Das Gericht widersprach der Krankenkasse. Denn eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung müsse zwar durch einen Arzt erfolgen, nicht aber durch einen Vertragsarzt der Versicherung. Dabei verwies es auf einen Beschluss des Bundessozialgerichts. (B 3 KR 5/18 B)

Es gibt keinen Grund, warum die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt nicht ausreichen solle, weil er in der Reha-Einrichtung tätig sei. Außerdem müsse der Arzt auch nicht den für Vertragsärzte vorgeschriebenen Vordruck verwenden, wie die Krankenkasse behauptete.

Inhaltlich reiche eine persönliche Untersuchung, bei der der Arzt feststelle, dass der Patient erkrankt sei und seiner letzten Beschäftigung nicht nachgehen könne. Die genauen Diagnosen müsste der Arzt auch nicht in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufführen.

In einem Reha-Entlassungsbericht könne die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit enthalten sein, und dies gelte auch für die „Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung.“

Es hätte eine persönliche Abschlussuntersuchung durch die Oberärztin und einen Facharzt gegeben.

„Im Entlassungsbericht wurde festgestellt, dass eine tägliche Mindestarbeitszeit von zwei Stunden aufgrund der psycho-physischen Belastung innerhalb von vier Wochen nicht erreicht werden kann. (…) Ferner wurde in der “Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung” ausgeführt, dass die Arbeitsunfähigkeit durch stufenweise Wiedereingliederung nicht wieder hergestellt werden könne, weil noch Narbeninstabilität bestehe.“

Bedeutung des Urteils für Betroffene

Krankenkassen prüfen die Auszahlung von Krankengeld äußerst gründlich. Wie dieser Fall zeigt, legen sie dabei mitunter eigene Regeln fest und präsentieren diese als gesetzlich verbindlich – obwohl ein solches Vorgehen in Wirklichkeit rechtswidrig ist.

So hat die Krankenversicherung keinen Rechtsanspruch darauf, dass ein von ihr eingesetzter Vertragsarzt die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, sondern das kann auch ein anderer Arzt oder eine andere Ärztin tun.

Das Gericht klärte im Sinne der Versicherten, dass die Krankenkassen sich an geltendes Recht zu halten haben und dieses nicht mit ihren eigenen Vorlieben verwechseln. Diese Klärung ist zu begrüßen.