Krankenkasse stellt Krankengeld per Aktenlage ein

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Die Kassen wollen immer sparen. Wer Krankengeld bezieht, muss deshalb gewappnet sein. In einem Fall wollte die Kasse einfach per Aktenlage entscheiden und die Krankengeldzahlungen einstellen. Doch ein Eilantrag verhinderte dies.

Was war passiert?

Die Krankenkasse hat das Krankengeld eingestellt, nachdem die Klรคgerin erneut beim Medizinischen Dienst (MD) eine Einschรคtzung zur Arbeitsunfรคhigkeit des Versicherten eingeholt hatte.

Der MD hatte zunรคchst nach einer persรถnlichen Untersuchung eine fortbestehende Arbeitsunfรคhigkeit bestรคtigt, allerdings mit dem Hinweis, dass die weitere Prognose unsicher sei.

Dann erfolgte eine reine Aktenprรผfung, ohne neue รคrztliche Untersuchung, die die Fortdauer der Arbeitsunfรคhigkeit infrage stellte. Der Medizinische Dienst argumentierte, dass in den Unterlagen keine wesentlichen Grรผnde fรผr eine weitere Arbeitsunfรคhigkeit dokumentiert seien.

Die Krankenkasse nutzte diese Stellungnahme, um die Krankengeldzahlung zu beenden, obwohl der Versicherte nach wie vor wegen psychischer Beschwerden als arbeitsunfรคhig galt.

Landessozialgericht Baden-Wรผrttemberg stoppte Krankenkasse

Das Landessozialgericht (LSG) in Stuttgart trat dieser Vorgehensweise entschieden entgegen. Bereits das Sozialgericht Freiburg war zuvor mit der Angelegenheit befasst, hatte den Eilantrag des Versicherten jedoch abgelehnt. Das LSG kam nun jedoch zu dem Schluss, dass die Zahlung des Krankengeldes vorlรคufig fortzusetzen sei.

Dabei widersprach es der Praxis der Krankenkasse, allein auf eine sozialmedizinische Stellungnahme ohne persรถnliche Untersuchung zu vertrauen.

Das Gericht betonte, dass ein solcher Verfahrensschritt โ€žvollkommen unbrauchbarโ€œ sei, wenn nicht wenigstens die behandelnden ร„rzte angehรถrt oder neue Befundberichte eingeholt wรผrden.

Das LSG stellte klar, dass eine รคrztliche Bescheinigung รผber die Arbeitsunfรคhigkeit nicht an eine bestimmte Form gebunden sei. Weder mรผsse dafรผr ein offizielles Formular verwendet werden, noch sei zwingend ein Vertragsarzt vorgeschrieben.

Entscheidend sei lediglich, dass die Feststellung in einem nach auรŸen erkennbaren Akt dokumentiert werde. Die Krankenkasse hatte an dieser Stelle die Wirksamkeit der vorgelegten Bescheinigungen angezweifelt, konnte aber vor Gericht nicht darlegen, warum sie diese Zweifel fรผr gerechtfertigt hielt.

Die kritische Sicht des LSG auf die Vorgehensweise des MD hat vor allem damit zu tun, dass die zweite Einschรคtzung allein nach Aktenlage erfolgte. Ein persรถnlicher Kontakt, wie noch zuvor, war diesmal nicht gegeben.

Das Gericht hob hervor, dass psychische Erkrankungen wie eine schwere Depression eine differenzierte und sorgfรคltige Begutachtung erfordern. Wenn schon die behandelnden ร„rzte ihre Befunde nicht an den MD oder die Krankenkasse รผbermitteln, mรผsse zumindest versucht werden, diese Unterlagen aktiv einzufordern.

Bleibe dies erfolglos, kรถnne die Krankenkasse nicht schlicht auf Beweislastregeln zurรผckgreifen und die Leistungen einstellen. In einem solchen Fall sei es erforderlich, den Sachverhalt durch eine erneute oder erstmalige persรถnliche Untersuchung weiter aufzuklรคren.

Welche Bedeutung hat die Mitwirkungspflicht des Krankengeld-Beziehers?

Nach Auffassung des LSG trรคgt der Versicherte grundsรคtzlich die Beweislast fรผr das Vorliegen der Voraussetzungen der jeweiligen Abschnitte des bewilligten Krankengeldes.

Er muss an der Aufklรคrung des Sachverhalts aktiv mitwirken. Diese Pflicht gelte jedoch nicht uneingeschrรคnkt.

Gerade bei psychischen Erkrankungen oder depressiven Stรถrungen kรถnne eine gewisse Einschrรคnkung der Mitwirkung eintreten, wenn es dem Betroffenen aus gesundheitlichen Grรผnden nicht mรถglich sei, die erforderlichen Schritte zu unternehmen.

Auch mรผsse die Krankenkasse ihre eigenen Mรถglichkeiten der Sachverhaltsaufklรคrung ausschรถpfen.

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Warum ist die Entscheidung fรผr andere Krankengeld-Beziehende so wichtig?

Das Beschlussverfahren des Landessozialgerichts vom 18. Dezember 2024 (L 5 KR 3444/24 ER-B) unterstreicht, dass Krankenkassen sich nicht allein auf ein formelhaftes Gutachten stรผtzen dรผrfen, um Versicherte plรถtzlich ohne Leistung dastehen zu lassen.

Gerade bei langwierigen oder schwer einschรคtzbaren Erkrankungen, zu denen insbesondere psychische Leiden zรคhlen, ist eine ordnungsgemรครŸe Ermittlung des Sachverhalts unverzichtbar.

Die Entscheidung des Gerichts stรคrkt die Rechte von Versicherten und macht deutlich, dass auch im Eilverfahren berรผcksichtigt werden muss, wie gravierend die finanziellen Folgen einer unberechtigten Einstellung des Krankengeldes sein kรถnnen.

Wenn alle Indizien weiterhin auf eine fortdauernde Arbeitsunfรคhigkeit hindeuten, darf die Krankenkasse Zahlungen nicht einfach einstellen, ohne eine belastbare medizinische Grundlage zu haben. (LSG Baden-Wรผrttemberg โ€“ AZ: L 5 KR 3444/24 ER-B)