Neuer Freibetrag für die Altersvorsorge im SGB XII gilt nicht bei Bürgergeld

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Bürgergeld: Betriebsrenten sind vom Jobcenter als Einkommen zu berücksichtigen. Die Regelung des § 82 Absatz 4 und 5 SGB XII zu Freibeträgen vom Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge ist im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende – Bürgergeld – nicht analog anzuwenden (Detlef Brock)

So entschieden vom LSG NRW, Urt. v. 25.05.2023 – L 6 AS 1306/22 – Revision anhängig beim BSG – B 7 AS 17/23 R –

Begründung:

Bei Betriebsrenten handelt es sich um zu berücksichtigendes Einkommen i. S. d. § 11 SGB II.

Ausnahmetatbestand liegt nicht vor

Die Betriebsrente stellt keine Leistung i. S. d. § 11a Abs. 3 SGB II dar, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht wird.

Weil öffentlich-rechtliche Vorschriften i. S. d. § 11a Abs. 3 SGB II sind solche, die einen Träger öffentlich-rechtlicher Verwaltung zur Leistung ermächtigen oder verpflichten. Die Betriebsrente wird dem Antragsteller jedoch nicht von einem öffentlich-rechtlichen Träger, sondern von der zivilrechtlich organisierten F. AG gezahlt.

Neuregelung des § 82 SGB XII

” Nach der Gesetzesbegründung sieht die Neuregelung des § 82 Abs. 4 SGB XII die Einführung eines Einkommensfreibetrages für zusätzliche Altersvorsorge mit dem Ziel vor, einen Anreiz zu setzen, zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben.

Es sollte ein gesamtgesellschaftliches Signal gesetzt werden, dass sich freiwillige Altersvorsorge in jedem Fall lohnt, und eine höhere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung bei Geringverdienern erreicht werden.

Dieser Aspekt könnte zwar auch im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zum Tragen kommen, so die Meinung des Gerichts, doch eine direkte als auch eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 4, 5 SGB XII kommen nicht in Betracht.

Dieser Freibetrag wird nicht nur bei Leistungen aus der staatlich geförderten Altersvorsorge, sondern bei jeder auf freiwilliger Altersvorsorge beruhender monatlich gezahlter Leistung gewährt.

Neue Freibetrag für zusätzliche Altersvorsorge im SGB 12

Dieser neue Freibetrag für zusätzliche Altersvorsorge kommt zu den bisherigen Freibeträgen für Erwerbseinkommen hinzu.

So kann ein Leistungsbezieher der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gleichzeitig den Freibetrag nach § 82 Abs. 3 SGB XII für sein Erwerbseinkommen und den Freibetrag nach § 82 Abs. 4 SGB XII für seine zusätzliche Altersvorsorge geltend machen.

Planwidrige Regelungslücke ist nicht bereits dann gegeben

Wenn eine erwünschte Ausnahmeregelung fehlt oder eine gesetzliche Regelung aus sozial- oder rechtspolitischen Erwägungen als unbefriedigend empfunden wird.

Auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz ist die Anrechnung als Einkommen unbedenklich

Denn nachvollziehbare Gründe bestehen, ist unter bestimmten Voraussetzungen von einer Anrechnung von Betriebsrenten im Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung des SGB XII abzusehen, nicht aber im SGB II, ist diese Differenzierung auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) als unbedenklich anzusehen

Ebenso mit Blick auf die Ungleichbehandlung innerhalb des SGB XII zwischen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung einerseits sowie der Hilfe zur Pflege andererseits SG Lüneburg, Gerichtsbescheid vom 16.10.2019 – S 22 SO 112/18 – ; a. A. in der Literatur wohl Schlette in Hauck/Noftz SGB XII, Stand: 5. Erg.-Lfg. 2023, § 82 Rn. 123).

Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock

SG Lüneburg, Gerichtsbescheid vom 16.10.2019 – S 22 SO 112/18 – bestätigt durch LSG Niedersachsen-Bremen, v. 10.09.2020 – L 8 SO 265/19 – ( n. v. )

Hier muss man erst mal abwarten, was das Bundessozialgericht dazu entscheidet, jedenfalls in der Rechtsprechung wurde eine Ungleichbehandlung ausgeschlossen.

Rechtstipp

§ 82 Abs. 4 und 5 SGB XII i. d. F. ab 1. Januar 2018, wonach bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bei einem Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge und nicht auch bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung des Leistungsberechtigten ein Freibetrag abzusetzen ist, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG ( LSG Hessen, Urt. v. 18.10.2023 – L 4 SO 182/21 -)

SG Marburg, Urt. v. 23.05.2023 – S 9 SO 27/22 –

Die Regelungen in § 82 Abs. 4, 5 SGB XII und in § 82a SGB XII zur Absetzung von Freibeträgen von Einkommen aus zusätzlicher Altersvorsorge und von Einkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei ausreichend Grundrentenzeiten verstoßen nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes ( bezugnehmend auf LSG Hessen, Beschluss vom 05. Mai 2020, Az. L 4 SO 231/19 B, n. v. ).