Rente: Rentenversicherung muss bei Rückforderung Fristen einhalten – Urteil

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Bei Erwerbsminderungsrenten und Hinzuverdienstgrenzen kann es zu Rückforderungen durch die Rentenversicherung kommen. Wir zeigen ein aktuelles Urteil, das die Voraussetzungen für rückwirkende Rückforderungen klärt und zeigt, welche Fristen dabei entscheidend sind.

Hintergrund des Falls

Eine Versicherte klagte gegen die Rückforderung von 212,05 Euro, die die Rentenversicherung als Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze einforderte. Die Klägerin hatte eine rückwirkend ab dem 1. September bewilligte Erwerbsminderungsrente erhalten.

Zusätzlich zahlte ihr Arbeitgeber im November desselben Jahres eine einmalige Gratifikation von 1.125 Euro, die erst im nächsten Jahr von der Rentenversicherung vollständig erfasst wurde.

Im Zuge einer Überprüfung kam die Rentenversicherung zu dem Schluss, dass diese Zahlung die Hinzuverdienstgrenze überschritten hatte und die Klägerin für den November im ersten Jahr nur drei Viertel der Rente hätte beziehen dürfen. Die Differenz von 212,05 Euro wurde daraufhin zur Rückzahlung gefordert.

Ein Anhörungsverfahren zur Rückforderung leitete die Rentenversicherung erst mehrere Jahre nach der Gratifikation ein. Der darauf basierende Rückforderungsbescheid folgte, gegen den die Klägerin Widerspruch einlegte.

Argumentation der Klägerin

Die Klägerin begründete ihren Widerspruch damit, dass die Einmalzahlung für das gesamte Jahr zu betrachten sei und daher anteilig auf den Zeitraum ab Rentenbeginn verteilt werden müsse. Bei einer solchen Berechnung würde der erlaubte Hinzuverdienst nicht überschritten.

Zudem verwies die Klägerin darauf, dass sie die Zahlung bereits der Rentenversicherung gemeldet habe. Eine betriebliche Prüfung der Rentenversicherung ergab keine Beanstandungen, was ihrer Darstellung weiter Gewicht verlieh.

Standpunkt der Rentenversicherung

Im Widerspruchsbescheid stellte die Rentenversicherung fest, dass einmalige Zahlungen nach Rentenbeginn als Hinzuverdienst zählen, unabhängig davon, ob sie für Arbeitszeiten vor oder nach Rentenbeginn gelten.

Zudem sei die Klägerin durch den Rentenbescheid über ihre Melde- und Mitwirkungspflichten informiert worden. Die Rentenversicherung ging davon aus, dass die Klägerin die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze erkennen konnte und unterstellte ihr daher grobe Fahrlässigkeit, da sie die Zahlung nicht voll als Hinzuverdienst meldete.

Gerichtliche Entscheidung zur Einjahresfrist und zum Vertrauensschutz

Das Gericht hob den Bescheid der Rentenversicherung auf und erklärte die Rückforderung von 212,05 Euro für rechtswidrig. Es bezog sich dabei auf zwei wesentliche Punkte: die Einhaltung der Einjahresfrist für Rückforderungen und den Vertrauensschutz der Klägerin.

Einhaltung der Einjahresfrist nach § 45 SGB X

Nach § 45 SGB X darf eine Rückforderung nur innerhalb einer einjährigen Frist erfolgen, nachdem die Rentenversicherung Kenntnis der entscheidenden Tatsachen erlangt hat. Im vorliegenden Fall wurde das Anhörungsverfahren jedoch erst 6 Jahre nach der ersten Zahlung eingeleitet.

Diese Verzögerung wurde vom Gericht als Verstoß gegen die Fristvorgaben des § 45 Abs. 4 SGB X bewertet.

Die Rentenversicherung argumentierte, dass die Frist erst ab der Rückmeldung des Betroffenen im Rahmen des Anhörungsverfahrens zu laufen beginne, was das Gericht jedoch zurückwies.

Laut dem Urteil dient die Einjahresfrist dazu, Rechtssicherheit für die Versicherten zu schaffen, auch wenn ein Verwaltungsakt fehlerhaft war. Eine zügige Bearbeitung durch die Behörde müsse gewährleistet sein. Die Rentenversicherung hätte also bereits mit Kenntnis der Einmalzahlung ein Anhörungsverfahren einleiten müssen.

Vertrauensschutz und Bewertung der Fahrlässigkeit

Zusätzlich stellte das Gericht fest, dass die Klägerin aufgrund der Komplexität der Regelungen zur Hinzuverdienstgrenze schutzwürdig sei und ihr keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne.

Die Rentenversicherung hatte argumentiert, dass die Klägerin aufgrund der Hinweise im Rentenbescheid die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze erkennen könnte.

Das Gericht entschied jedoch, dass die Berechnungsweise für einen Laien kaum nachvollziehbar sei und die Einmalzahlung weder eindeutig zu einem festen Zeitraum zugeordnet noch ihre Auswirkung auf die Rente klar definiert war.

Der Rentenbescheid enthielt keine Hinweise darauf, wie einmalige Zahlungen im Rahmen der Hinzuverdienstregelung anzurechnen seien. Da die Klägerin die Einmalzahlung bereits gemeldet hatte, sah das Gericht keinen Beleg für eine Pflichtverletzung.

Auch der große zeitliche Abstand zwischen Rentenbescheid und Einmalzahlung sprach gegen grobe Fahrlässigkeit, da die Klägerin hier lediglich leicht fahrlässig gehandelt habe.

Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des Gesetzes setzt eine deutlich erkennbare Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht voraus, die in diesem Fall nicht gegeben war.

Das Gericht stellte zudem fest, dass die Rentenversicherung eine klare Verpflichtung hatte, bei Unklarheiten und komplexen Berechnungen transparent über die Berechnungsgrundlagen zu informieren. Bei subjektiven Fahrlässigkeitsprüfungen sei auf die individuelle Einsichtsfähigkeit des Versicherten abzustellen.

Hierbei hätten die Beklagten versäumt, klar zu kommunizieren, wie und wann Hinzuverdienst die Rentenzahlung beeinflusst.

Vertrauensschutz und Mitwirkungspflichten

Das Gericht befand, dass die Rentenversicherung den Vertrauensschutz der Klägerin verletzt habe, da sie nach Kenntnis der Einmalzahlung nicht zeitnah tätig geworden sei und die Mitwirkungspflichten im Bescheid keine eindeutigen Anweisungen zur Meldung von Einmalzahlungen enthielten.

Der Vertrauensschutz gilt, wenn Versicherte auf die Beständigkeit eines Bescheides vertrauen durften und dieses Vertrauen als schutzwürdig anzusehen ist.

Die Einmalzahlung war in ihrer Höhe und Anrechnung nicht klar als problematisch ersichtlich, und die Mitteilungspflicht der Klägerin wurde durch die einmalige Meldung ihrer Zahlung erfüllt. Az. 4 R 451/12