Erfolgreiche Klage stärkt Verbraucherrechte bei Stromschulden. Wenn Energierechnungen nicht mehr bezahlt werden können, stehen viele Menschen unter starkem Druck. Stromsperren bedrohen den Alltag, weil Kühlschrank, Beleuchtung und Kommunikationsgeräte plötzlich unbrauchbar sind.
Ein aktuelles Gerichtsurteil aus Düsseldorf schafft nun mehr Sicherheit für Verbraucherinnen und Verbraucher. Im Zentrum steht das Recht auf eine faire Ratenzahlung ohne zusätzliche Gebühren.
Gerichtsurteil und Hintergründe
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschied am 13. Februar 2025 (Az. I20 UKI 7/24), dass Energielieferanten ihren Kundinnen und Kunden im Zahlungsrückstand keine Gebühren für Ratenzahlungsvereinbarungen auferlegen dürfen. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale NRW gegen die NEW Niederrhein Energie und Wasser GmbH, weil diese trotz gesetzlicher Verpflichtung zusätzliche Kosten für solche Vereinbarungen verlangte.
Das Gericht machte deutlich, dass diese Praxis gegen Verbraucherschutzvorgaben verstößt. Zudem bestätigten die Richterinnen und Richter, dass Stromanbieter Ratenpläne bei hohen Rückständen bis zu 24 Monate lang einräumen müssen. Eine starre Begrenzung auf zwölf Monate ist unzulässig.
Mit diesem Urteil soll verhindert werden, dass Personen mit Zahlungsverzug unnötig in eine Stromsperre geraten. Wer bereits finanzielle Schwierigkeiten hat, soll nicht durch weitere Entgelte belastet werden. Die NEW Niederrhein Energie und Wasser GmbH darf solche Gebühren nun nicht mehr erheben und muss längere Ratenvereinbarungen anbieten, wenn die Rückstände hoch sind.
Das OLG ließ keine Revision zu. Damit ist das Urteil rechtskräftig und schafft Klarheit für betroffene Haushalte.
Neue Verpflichtungen für Energieversorger
Energielieferanten müssen ihre Kundinnen und Kunden rechtzeitig informieren, bevor sie überhaupt eine Stromsperre verhängen. Bereits bei offenen Beträgen ab zwei monatlichen Abschlagszahlungen und mindestens 100 Euro Rückstand dürfen Anbieter den Strom abschalten. Doch das Urteil schärft die Regeln:
- Keine Gebühren für Ratenpläne: Wenn Menschen ihre offenen Beträge in Teilzahlungen begleichen wollen, dürfen die Unternehmen dafür keine Zusatzkosten verlangen.
- Längere Laufzeiten: Bei besonders hohen Rückständen müssen Versorgungsunternehmen Ratenzahlungen über bis zu 24 Monate anbieten.
- Keine sofortige Sperre: Falls eine Rate ausbleibt, müssen sie den Kundinnen und Kunden erneut eine Frist von acht Tagen einräumen, bevor der Strom gekappt werden kann.
- Verbraucherdarlehensrecht bei entgeltlichen Absprachen: Sobald ein Energieanbieter für Ratenzahlungen ein Entgelt oder Zinsen berechnet, gelten die Regeln des Verbraucherdarlehensrechts (§§ 506, 498 BGB). Ein Unternehmen darf den Vertrag nur kündigen, wenn mindestens zwei Raten ausgeblieben sind und eine weitere Frist zur Begleichung des Rückstands erfolglos verstrichen ist.
Diese Klarstellungen sollen sicherstellen, dass Schuldnerinnen und Schuldner nicht gleich abgeschaltet werden. Vielmehr sollen sie die Chance erhalten, sich finanziell zu stabilisieren und die ausstehenden Beträge schrittweise zu begleichen.
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Konkrete Vorteile für Verbraucherinnen und Verbraucher
Viele Haushalte sind von hohen Stromkosten betroffen. Vor allem steigende Energiepreise oder persönliche Krisen wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit können schnell zur Überforderung führen. Das aktuelle Urteil bringt für Betroffene mehrere konkrete Vorteile.
Zum einen entfällt der zusätzliche Druck durch Gebühren, weil niemand mit geringem Budget für die Vereinbarung eines Zahlungsplans aufkommen muss. Das erleichtert den Neustart in stabilen finanziellen Verhältnissen.
Zum anderen bieten Ratenlaufzeiten von bis zu zwei Jahren eine nachhaltige Möglichkeit, Schulden schrittweise abzubauen und neue Engpässe zu vermeiden. Falls eine Rate ausbleibt, droht zudem nicht sofort der Verlust der Stromversorgung, da der Versorger verpflichtet ist, eine Sperre erneut anzukündigen und eine Frist zu setzen.
Das verringert das Risiko plötzlicher Notlagen und stärkt gleichzeitig die Verhandlungsposition der Verbraucherinnen und Verbraucher, weil Energielieferanten sich an klare Regeln halten müssen.
Praktische Tipps bei Zahlungsrückständen
Schulden beim Energieversorger entstehen oft unbemerkt und schleichend. Sobald eine Stromrechnung nicht beglichen werden kann, sollten Sie unbedingt aktiv werden:
1. Frühzeitige Kontaktaufnahme
Melden Sie sich direkt bei Ihrem Stromanbieter, wenn sich Zahlungsprobleme abzeichnen. Manche Unternehmen schlagen von sich aus eine Teilzahlungsvereinbarung vor, sobald es zu Rückständen kommt.
2. Kostenlose Beratung nutzen
Die Verbraucherzentrale NRW bietet kostenlose Beratungen an. Dort erhalten Sie Unterstützung bei der Durchsicht Ihrer Unterlagen und erfahren, wie Sie Forderungen prüfen oder Rückzahlungspläne geschickt aushandeln.
3. Finanzielle Hilfsangebote prüfen
Manche Kommunen oder Wohlfahrtsverbände bieten Darlehen oder Zuschüsse für Menschen in akuten Notlagen an. Diese Hilfsleistungen variieren je nach Region.
4. Energieverbrauch reduzieren
Ein bewusster Umgang mit Strom senkt das Risiko neuer Nachforderungen. Tauschen Sie alte Glühlampen gegen LEDs aus, schalten Sie Standby-Geräte komplett ab und nutzen Sie Strommessgeräte, um Stromfresser aufzudecken.
Durch rechtzeitiges Handeln vermeiden Sie Mahnkosten, Sperrandrohungen und die damit verbundenen Ängste. Außerdem schaffen Sie sich einen klaren Überblick über Ihre Finanzen, was für eine tragfähige Ratenzahlungsvereinbarung essenziell ist.
Hintergründe zur Stromsperre in Deutschland
Nach Angaben verschiedener Sozialverbände sind Jahr für Jahr zehntausende Haushalte von Stromsperren bedroht. Diese Sperren erfolgen oft, wenn ein Kunde oder eine Kundin wiederholt Rechnungen nicht bezahlt. Während die meisten Versorger rechtzeitig Mahnungen verschicken, kann es passieren, dass Betroffene gar nicht merken, wie hoch ihr Zahlungsrückstand tatsächlich ist.
In solchen Fällen droht ein Teufelskreis: Ohne Strom keine funktionierende Küche, kein Licht, kein Internetzugang. Das Urteil des OLG Düsseldorf setzt hier ein deutliches Zeichen gegen die sofortige Sperrpraxis ohne hinreichende Möglichkeiten zur Ratenzahlung.
Zudem zeigt das Gericht mit seinen Ausführungen zum Verbraucherdarlehensrecht, dass Anbieter klar definierte Fristen einhalten müssen, bevor sie Ratenzahlungsverträge wegen Zahlungsverzugs kündigen dürfen. Dieser Aspekt verhindert, dass Kundinnen und Kunden ohne Vorwarnung vor verschlossenen Türen stehen.
Gesetzlich ist vorgesehen, dass ein Vertrag erst gekündigt werden darf, wenn mindestens zwei Raten ausstehen und der Kunde eine zweiwöchige Nachzahlungsfrist verpasst hat.
Was bedeutet das für die Energiebranche?
Energieunternehmen müssen ihre Geschäftsbedingungen anpassen, wenn sie sie bisher nicht aktualisiert haben. Wer Kosten für Ratenvereinbarungen oder eine strikte Begrenzung der Laufzeiten einsetzt, verstößt gegen die jüngste Rechtsprechung.
Für die gesamte Branche entsteht dadurch ein höherer organisatorischer Aufwand, denn längere Ratenpläne wollen verwaltet und überwacht werden. Langfristig lässt sich aber argumentieren, dass eine partnerschaftliche Lösung die Kundenbindung stärkt und teure Sperrungen reduziert.
Eine funktionierende Abwendungsvereinbarung kommt beiden Seiten zugute: Kundinnen und Kunden behalten Energiezugang und Unternehmen vermeiden Kosten durch Mahnverfahren, Netzabschaltungen und erneute Anschlüsse.