Schwerbehinderung am Arbeitsplatz: Gleichstellung erst ab 18 Wochenstunden – Urteil

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Eine Gleichstellung bei einem Grad der Behinderung von 30 oder 40 mit den Nachteilsausgleichen am Arbeitsplatz fรผr Schwerbehinderte gilt erst ab 18 Wochenstunden. Dabei zรคhlt die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. So entschied das Sozialgericht Saarland (S 12 Al 1088/19)

Der Antrag wird aufgrund fehlender Wochenstunden abgelehnt

Die Betroffene hat einen festgestellten Grad der Behinderung von 40 und arbeitete als Sortiererin in Teilzeit mit einer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 16 Stunden pro Woche. Sie stellte einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach den zweiten Paragrafen im Sozialgesetzbuch IX.

Dieser sieht vor, dass auch Menschen mit einem Grad der Behinderung von 30 oder 40 dieselben Nachteilsausgleiche wie schwerbehinderte Menschen am Arbeitsplatz erhalten kรถnnen, wenn sie belegbar im gleichen AusmaรŸ an der Arbeitsstelle benachteiligt sind.

Die Agentur fรผr Arbeit lehnte diesen jedoch per Bescheid ab. Die Begrรผndung lautete, der Paragraf 156 Absatz 3 im Sozialgesetzbuch IX umfasst nur Arbeitsplรคtze mit 18 oder mehr Wochenstunden.

Die reale Arbeitszeit ist lรคnger

Die Betroffene legte Widerspruch ein und begrรผndete diesen damit, dass sie stets mehr als 16 Stunden pro Woche arbeitet. Von der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit statt von der tatsรคchlichen auszugehen, verstoรŸe gegen das Europarecht und sei diskriminierend.

Die Agentur fรผr Arbeit wies den Widerspruch zurรผck und bezog sich auf dieselbe Begrรผndung wie zuvor.

Gleichstellung dringend erforderlich

Die Arbeitnehmerin klagte vor dem Sozialgericht des Saarlandes. Sie wiederholte die Begrรผndung im Widerspruch und ergรคnzte, dass es zum Schutz ihres Arbeitsplatzes dringend notwendig sei, sie mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.

Es besteht besonderer Kรผndigungsschutz

Die Agentur fรผr Arbeit blieb bei den Argumenten im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid und fรผgte hinzu, dass eine Gleichstellung aus Grรผnden des Arbeitsschutzes nicht erforderlich sei. Per Tarifvertrag sei ein besonderer Kรผndigungsschutz vereinbart, und die Betroffene kรถnnen ihren Arbeitsplatz behalten.

Klage zulรคssig, aber nicht begrรผndet

Das Gericht hielt die Klage zwar fรผr zulรคssig, nicht aber fรผr begrรผndet. Zur Begrรผndung erlรคuterten die Richter die juristischen Grundlagen.

Die Gleichstellung diene fรผr Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 und mindestens 30 dazu, einen geeigneten Arbeitsplatz zu erlangen oder zu behalten, wenn sie dies ansonsten infolge ihrer Behinderung nicht kรถnnten.

Arbeitsplatz sei dabei definiert als eine Beschรคftigung von mindestens 18 Stunden die Woche, Beschรคftigungen unter dieser Arbeitszeit wรผrden im Sinne des Paragrafen 2 Absatz 3 des Sozialgesetzbuches IX nicht als Arbeitsplรคtze gelten.

Nur der Arbeitsvertrag hat Gรผltigkeit

Gรผltig seien dabei ausschlieรŸlich die vertraglich mit dem ursprรผnglichen Arbeitgeber vereinbarten Arbeitszeiten. Ob die wirklich geleistete Arbeitszeit darรผber liege, sei dem Wortlaut des Gesetzes nach unbeachtlich.

Es gebe auch keine verfassungs- und europarechtlichen Grรผnde, aus denen eine geringere Wochenarbeitszeit als die gesetzten 18 Stunden fรผr eine Gleichstellung anerkannt werden mรผsste.

Die gesetzliche Regelung bewege sich nรคmlich innerhalb des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Das gelte nicht nur fรผr das Grundgesetz, sondern auch fรผr die in der Charta der Europรคischen Union aufgefรผhrten Gleichheitsrechte.

Eine willkรผrliche Benachteiligung Teilzeitbeschรคftigter mit wรถchentlicher Arbeitszeit von weniger als 18 Stunden sei nicht zu erkennen.