Das Integrationsamt muss auch dann die Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz tragen, wenn der entsprechende Mensch mit Schwerbehinderung während der Elternzeit seine Arbeitszeit vorübergehend auf zehn Stunden pro Woche verringert. Entscheidend ist die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 20 Wochenstunden. Dies entschied das Arbeitsgericht MainZ (Az. 1 K 140/24.MZ).
Zum Fall
Die Betroffene hat eine Schwerbehinderung und gemäß ihres Arbeitsvertrags eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden. Nachdem sie ein Kind zur Welt brachte, beanspruchte sie Elternzeit und reduzierte währenddessen ihre Wochenstunden auf zehn Stunden. Dies geschah nur vorübergehend und war nicht im Vertrag festgelegt.
Kostenübernahme der Arbeitsassistenz
Sie beantragte beim Integrationsamt, dass dieses weiterhin die Kosten für ihre Arbeitsassistenz übernahm. Das Amt verweigerte dies mit dem Hinweis auf die Mindestarbeitszeit von 15 Stunden, denn diese setzt das Sozialgesetzbuch IX für die Übernahme der Assistenzkosten voraus.
Sie legte Widerspruch ein, den das Amt als unberechtigt ablehnte und legte als nächsten juristischen Schritt Klage ein.
Erfolg vor dem Verwaltungsgericht
Das Gericht sah die Klägerin im Recht. Maßgeblich sei die ursprünglich vereinbarte Arbeitszeit, die in ihrem Fall 20 Stunden betrug. Die Richter führten weiterhin aus, was der Sinn der Kostenübernahme sei.
Sie diene diese dazu, Menschen mit Schwerbehinderung im Arbeitsmarkt zu fördern und Benachteiligungen auszugleichen, denen sie wegen ihrer Schwerbehinderung ausgesetzt seien.
Der Paragraf 185 des Sozialgesetzbuchs IX formuliert zwei Ziele der Arbeitsassistenz, nämlich erstens einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz zu erlangen beziehungsweise die Aufnahme einer selbstständigen beruflichen Existenz zu fördern und zweitens ein bestehendes derartiges Arbeitsverhältnis zu erhalten.
Dafür gibt es drei Bedingungen: Erstens müssen sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft sein, innerhalb des Betriebs den Menschen mit Schwerbehinderung zu unterstützen sowie seinen Arbeitsplatz zu gestalten, zweitens muss der Bedarf an Assistenz regelmäßig sein, und drittens muss die wöchentliche Arbeitszeit mindestens 15 Stunden betragen.
Kein Unterschreiten der Mindestarbeitszeit
Auch bei einer Reduzierung der Arbeitszeit sei die vertraglich festgelegte Wochenarbeitszeit von 20 Stunden als Grundlage anzusehen. Denn die Stundenreduzierung sei zeitlich beschränkt und danach würde das Arbeitsverhältnis in vollem und vertraglich vereinbarten Verhältnis fortgeführt.
Die wirtschaftliche Basis der Klägerin bleibe durch Erwerbsarbeit gesichert,
Deshalb würde die gesetzlich geforderte Mindestarbeitszeit nicht verletzt.
Worauf müssen Sie achten?
Wenn Sie selbst als Mensch mit Schwerbehinderung in dieser oder einen ähnlichen Situation sind, dann achten Sie darauf, dass eine vertragliche Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden gesichert bleiben.
In diesem Fall gab den Ausschlag dafür, dass das Integrationsamt die Kosten der Assistenz zu tragen hat, dass die Wochenarbeitszeit unter diesen 15 Stunden nicht die vertragliche Vereinbarung in Frage stellte, die deutlich über der Mindestarbeitszeit lag.
Bei einer dauerhaften Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf zehn Stunden hätte die Betroffene keinen Anspruch auf Kostenübernahme der Arbeitsassistenz durch das Integrationsamt gehabt.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.