Ein gesetzlich versicherter Patient mit chronischer Nierenerkrankung hat keinen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten zu seinen regelmäßigen ambulanten Behandlungen. Das Sozialgericht Augsburg entschied, dass die medizinischen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht erfüllt seien.
Maßgeblich war dabei, dass der Kläger weder eine ausreichend hohe Behandlungsfrequenz noch eine vergleichbare Mobilitätseinschränkung zu den gesetzlich definierten Ausnahmefällen nachweisen konnte.
Hintergrund des Falls: Schwerkranker Patient beantragt Unterstützung
Der 70-jährige Kläger leidet unter einer chronischen Nierenbeckenentzündung, die nach Entfernung seiner Harnblase und Einsetzung künstlicher Harnableitungen regelmäßige Nachsorge erfordert. Alle sechs bis acht Wochen muss ein Wechsel der Nephrostomien im Klinikum I erfolgen – eine Maßnahme, die laut Klinik medizinisch notwendig und mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist.
Der Patient kann aufgrund seiner Einschränkungen nicht selbst fahren und beantragte daher die Erstattung der Pkw-Fahrtkosten.
Trotz ärztlicher Bescheinigungen und bestehendem Pflegegrad 2 lehnte die Krankenkasse den Antrag ab. Sie verwies auf gesetzliche Regelungen, die eine Kostenübernahme nur bei erheblich eingeschränkter Mobilität oder sehr häufiger Behandlung vorsehen.
Rechtlicher Rahmen: Wann zahlt die Krankenkasse Fahrtkosten?
Nach § 60 SGB V übernehmen gesetzliche Krankenkassen Fahrtkosten nur in medizinisch zwingenden Ausnahmefällen. Diese sind in der Krankentransport-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses konkretisiert. Anspruch auf Kostenübernahme besteht unter anderem bei:
Schwerbehinderten mit Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“,
Pflegegrad 3 mit erheblicher Mobilitätseinschränkung oder Pflegegrad 4,
und bei einer hohen Behandlungsfrequenz wie bei Dialyse oder Chemotherapie.
Einzelfälle werden unter Berücksichtigung von Häufigkeit, Dauer und medizinischer Notwendigkeit bewertet.
Beurteilung des Einzelfalls: Keine „hohe Behandlungsfrequenz“ festgestellt
Das Gericht stufte den Abstand von sechs bis acht Wochen zwischen den ambulanten Eingriffen als zu gering ein, um als „hohe Behandlungsfrequenz“ zu gelten. Zwar handelt es sich um eine dauerhafte Maßnahme, doch laut aktueller Rechtsprechung liegt der Schwellenwert für eine „häufige Behandlung“ bei wöchentlichen bis mindestens zweiwöchentlichen Terminen.
Selbst eine monatliche Nachsorge – etwa bei Transplantationspatienten – reicht nach Ansicht mehrerer Landessozialgerichte meist nicht aus.
Zudem betonte das Gericht, dass der Kläger keinen Anspruch über den sogenannten Auffangtatbestand des § 8 Abs. 4 Krankentransport-Richtlinie geltend machen kann.
Diese Regelung betrifft Versicherte mit vergleichbaren Mobilitätseinschränkungen zu schwerbehinderten Menschen, ohne dass ein entsprechender Nachweis vorliegt. Nach Auffassung des Gerichts erfüllte der Kläger diese Kriterien nicht.
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Mobilitätsstatus entscheidend: Rollator-Nutzung reicht nicht aus
Im Pflegegutachten, das Grundlage der Entscheidung war, wurden keine Einschränkungen im Bereich Mobilität festgestellt. Auch die Nutzung eines Rollators belegt laut Gericht nicht die für eine Fahrtkostenübernahme notwendige Schwere der Gehbehinderung.
Der Kläger sei weiterhin in der Lage, sich selbstständig fortzubewegen – wenn auch mit Hilfsmitteln. Eine Vergleichbarkeit mit der gesetzlich anerkannten außergewöhnlichen Gehbehinderung sei daher nicht gegeben.
Auswirkungen der Entscheidung: Keine Kostenerstattung für vergleichbare Fälle
Die Entscheidung des Sozialgerichts Augsburg bestätigt eine restriktive Auslegung der Fahrtkostenregelung. Versicherte müssen weiterhin mit hohen Hürden rechnen, wenn sie Unterstützung bei der Anreise zu ambulanten Behandlungen beantragen wollen.
Besonders betroffen sind ältere oder chronisch kranke Menschen mit regelmäßiger, aber nicht sehr häufiger Behandlung und ohne anerkannte Schwerbehinderung.
Wer etwa alle sechs bis acht Wochen zu einer Klinik muss, kann sich auf diese Entscheidung künftig nur schwer berufen, um eine Erstattung zu erwirken. Selbst ärztliche Einschätzungen zur Dringlichkeit einer Behandlung reichen nicht aus, wenn die gesetzlichen Schwellenwerte nicht erfüllt sind.