Menschen mit Schwerbehinderung können in Deutschland von erleichterten Parkregelungen profitieren, wenn sie einen orangefarbenen Parkausweis besitzen. Wer diesen Ausweis deutlich hinter der Windschutzscheibe platziert, darf gebührenfrei auf öffentlichen Parkflächen stehen.
Das Verwaltungsgericht Leipzig (Az. 1 K 1370/19) hat sich jedoch mit einem Fall beschäftigt, der verdeutlicht, dass Unsichtbarkeit des Ausweises teure Folgen haben kann. Die betroffene Fahrzeughalterin musste Abschlepp- und Verwaltungskosten tragen, weil ihr Pass zum fraglichen Zeitpunkt nicht eindeutig erkennbar war.
Inhaltsverzeichnis
Warum es überhaupt einen orangefarbenen Parkausweis gibt
In Deutschland existieren unterschiedliche Parkausweise für Menschen mit Behinderung. Der orange Ausweis deckt bestimmte Sonderrechte ab. Dazu gehört beispielsweise:
- Gebührenfreies Parken auf öffentlichen Stellflächen mit Parkscheinautomaten
- Längere Parkzeiten ohne die sonst üblichen Beschränkungen
- Vereinfachungen in verkehrsberuhigten Bereichen
Diese Erleichterungen gelten jedoch nur, wenn der Ausweis persönlich genutzt und stets von außen sichtbar im Fahrzeug ausgelegt wird. Behörden betonen in Informationsbroschüren, dass bei Fehlplatzierung keine rechtliche Grundlage für kostenloses Parken besteht.
Hintergrund des Falls: Ein Pkw mit auslaufenden Betriebsmitteln
Die betroffene Halterin parkte ihr Fahrzeug zunächst ordnungsgemäß. Nach eigenen Angaben lag der orange Parkausweis zu diesem Zeitpunkt hinter der Windschutzscheibe, neben einer Ausnahmegenehmigung zur Befahrung der Umweltzone und einer Parkscheibe. Später wurde das Auto an anderer Stelle im selben Straßenabschnitt abgestellt. Dort stellten Vollzugsbedienstete fest, dass Betriebsmittel – vermutlich Öl oder Kühlflüssigkeit – austraten. Daraufhin verständigten sie die Feuerwehr, die das Leck provisorisch schloss.
Parallel hinterließ die Polizei eine Visitenkarte unter dem Scheibenwischer. Dieser Hinweis sollte die Halterin darüber informieren, dass das Fahrzeug nicht bewegt werden dürfe. Stattdessen sollte es umgehend abgeschleppt werden, um Gefahren durch weitere austretende Flüssigkeiten zu vermeiden.
Parkzone mit Gebührenpflicht: fehlender Parkschein sorgt für Irritation
Am nächsten Tag überprüften städtische Mitarbeiter die Situation erneut. Das Auto stand immer noch am gleichen Platz, obwohl dort eine Parkscheinautomaten-Pflicht galt. Nach Angaben der Stadt war kein gültiger Parkschein ersichtlich. Auch der orangefarbene Parkausweis sei nicht zu sehen gewesen. Da der Wagen mehr als drei Stunden ohne Parkticket in einem bewirtschafteten Bereich stand, wurde ein Abschleppdienst beauftragt.
Insgesamt entstanden Kosten in Höhe von 257,61 Euro. Darin enthalten waren die Gebühren für das Abschleppunternehmen, eine Verwaltungsgebühr sowie Postauslagen. Der Betreuer der Halterin – gleichzeitig ihr Vater – verweigerte die Zahlung. Er argumentierte, es handele sich nicht um eine Ordnungswidrigkeit, weil seine Tochter wegen ihrer Schwerbehinderung eigentlich kostenlos hätte parken dürfen.
Der Streit um die Sichtbarkeit des Ausweises
Der Vater betonte, der orange Parkausweis müsse beim zweiten Abstellvorgang noch im Fahrzeug gelegen haben. Er vermutete, dass die polizeiliche Visitenkarte den Ausweis möglicherweise verdeckte oder das Dokument wegen der geneigten Armaturenbrettfläche in den Fußraum gerutscht sei. Nach seiner Darstellung ist es Routine, den Schwerbehindertenausweis vor Fahrtantritt auf das Armaturenbrett zu legen.
Die Behörde hielt dagegen, dass Fotos des Fahrzeugs die tatsächliche Situation belegten. Darauf sei weder Parkscheibe noch Ausweis zu erkennen. Auch wenn die polizeiliche Karte vorhanden war, müsse der Parkausweis trotzdem groß genug sichtbar sein, um eine ordnungsgemäße Nutzung nachzuweisen.
Gerichtliches Verfahren: Kostenpflicht trotz Schwerbehindertenausweis
Das Verwaltungsgericht Leipzig entschied, dass die Klägerin die Abschlepp- und Verwaltungsgebühren tragen muss. Die Richterinnen und Richter begründeten das damit, dass eine Ausnahmegenehmigung nur dann gilt, wenn der passberechtigte Fahrer (oder in Betreuung stehende Halter) den entsprechenden Nachweis korrekt auslegt. Im konkreten Fall habe die Behörde durch Fotos belegen können, dass dies zum entscheidenden Zeitpunkt nicht erfolgt sei.
Zusätzlich stellte das Gericht klar, dass die Verkehrsüberwachung in einer solchen Situation nicht verpflichtet sei, intensive Nachforschungen anzustellen. Wer einen orangefarbenen Ausweis besitzt, trägt selbst das Risiko, dass alle Dokumente gut erkennbar sind. Im Verfahren verwiesen die Verantwortlichen zusätzlich darauf, dass keine Zeit blieb, die Halterin zu verwarnen. Wegen des auslaufenden Betriebsmittels bestand eine Gefahr für die Umwelt und die öffentliche Sicherheit.
Relevanz des Urteils für Betroffene
Das Urteil (VG Leipzig, Az. 1 K 1370/19) zeigt, dass Sonderrechte nur mit offensichtlichem Nachweis in Anspruch genommen werden können. Vor allem Menschen mit Schwerbehindertenausweis sollten beachten, dass jede Unklarheit in der Kennzeichnung rasch zu kostenpflichtigen Maßnahmen führen kann. Betroffene sollten den Pass immer deutlich im Sichtbereich der Frontscheibe auslegen.
Persönlicher Ausweis statt fahrzeuggebundener Genehmigung
Ein wichtiger Punkt im Urteil betrifft den persönlichen Charakter des Ausweises. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO handelt es sich nicht um eine fahrzeuggebundene, sondern um eine personengebundene Genehmigung. Das bedeutet, dass unterschiedliche Fahrzeuge genutzt werden können, solange der Ausweisinhaber selbst fährt oder mitfährt. Allerdings muss bei jedem Parkvorgang kontrollierbar sein, dass die berechtigte Person den Wagen nutzt.
Damit entfällt jede Ausrede, wonach „irgendwo im Fahrzeug“ ein orangefarbener Ausweis lag. Sofern das Dokument nicht von außen lesbar ist, gilt es im Zweifel nicht. Dies kann vorwiegend in stressigen Situationen problematisch werden: Wer kurz anhält und glaubt, den Ausweis nur flüchtig auf das Armaturenbrett legen zu müssen, riskiert, dass die Überwachungskräfte ihn nicht erkennen.
Abschleppen zur Gefahrenabwehr und wegen Parkverstoß
Im besprochenen Fall kam ein weiterer Aspekt hinzu. Die Stadt begründete ihre Maßnahme teilweise mit der Gefahrenabwehr, weil das Fahrzeug wegen des Lecks nicht sicher bewegt werden durfte.
Zusätzlich stand das Auto ohne sichtbaren Parkausweis im Bereich eines Parkscheinautomaten. Nach über drei Stunden ohne Parkticket sei eine kostenpflichtige Umsetzung gerechtfertigt, so die Behörde.
Die Halterin wandte ein, das eigentliche Motiv habe in der Gefahr bestanden, die durch das ausgelaufene Betriebsmittel entstand. Das Gericht sah jedoch keinen Widerspruch: Selbst wenn man von einer Gefahrenabwehr ausgeht, bleibt der Parkverstoß bestehen, sobald kein Ausweis erkennbar ist. Deshalb kann eine Kommune beide Gründe auflisten und die Abschleppmaßnahme auch als verhältnismäßig einstufen.