Sozialleistungen dรผrfen auch fรผr nur sehr kurze Zeitrรคume bewilligt werden. Keine verfassungswidrige Diskriminierung der Hilfeempfรคnger bei Befristung von Bewilligungsbescheiden des Sozialamtes, sagt das Gericht.
War der Klรคger zum Zeitpunkt der Bewilligung obdachlos und in einer Pension untergebracht, stellt die besondere Wohnsituation sowie die Ungewissheit, wie lange der Klรคger die Mรถglichkeit der Unterbringung in der Pension nutze, einen hinreichenden sachlichen Grund dar, der dazu berechtige, einen verkรผrzten Leistungszeitraum anzunehmen (hier 2 Monate).
Die Vorschrift des ยง 44 Abs. 3 S. 1 SGB XII ist keine starre Vorgabe
Die Formulierung in der Regel verdeutlicht, dass auch Bewilligungen fรผr kรผrzere Zeitrรคume ausgesprochen werden dรผrfen; dies ist begrรผndungs- bzw. rechtfertigungsbedรผrftig.
Fรผr die Festsetzung eines abweichenden Bewilligungszeitraumes hinreichend ist ein sachlicher Grund (vgl. LSG Baden-Wรผrttemberg, Urteil vom 23. April 2015 – L 7 SO 43/14 – ).
Der sachliche Grund muss ein hinreichendes Gewicht haben, um zu begrรผnden, warum im konkreten Einzelfall von der in ยง 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII zugrunde liegenden legislativen Wertentscheidung abgewichen werden soll, wonach die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als Dauerleistung regelmรครig fรผr ein Jahr erbracht werden sollen.
Wie aus der Soll – Regelung in ยง 44 Abs. 3 Satz 2 SGB XII steht die Befristungsdauer in einem unterschiedlich gebundenen Ermessen der Behรถrde, dass aber nicht abschlieรend den Bindungen des ยง 44 Abs. 3 Satz 2 SGB XII unterliegt, sondern auch kรผrzere Befristungen auรerhalb der vorlรคufigen Bewilligung zulรคsst.
Wann kann das der Fall sein?
Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn รnderungen im Bewilligungszeitraum abzusehen bzw. voraussichtlich zu erwarten sind.
Entgegen der Auffassung des Berufungsklรคgers ist es damit eine hinreichende Erwรคgung, dass Dauer und Umfang der Nutzung der Unterkunft in der Pension zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides unklar waren.
Ein sachlicher Grund zur Befristung kann daher auch darin bestehen, bei vorhersehbaren รnderungen der Leistungshรถhe einen รnderungsbescheid vermeiden zu wollen, soweit damit nicht gesetzliche Wertung ยง 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII regelhaft unterlaufen wird; rechtswidrig wรคre eine wiederholt monatsweise Bewilligung.
Wenn der Klรคger auf seine Obdachlosigkeit und auf frรผhere abweichende Handhabung verweist, ist nicht festzustellen, dass ihn die Befristung in verfassungswidriger Weise diskriminiert
Denn Art. 3 Abs. 3 GG schรผtzt nicht vor einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Betroffenheit von Obdachlosigkeit.
Fazit
Gemรคร ยง 44 Absatz 3 Satz 1 SGB XII werden Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach ยง 42 in der Regel fรผr einen Bewilligungszeitraum von zwรถlf Kalendermonaten bewilligt. Jedoch werden nach ยง 44 Absatz 3 Satz 1 Leistungen nur in der Regel fรผr zwรถlf Monate gewรคhrt.
Die Vorschrift ist schon von ihrem Wortlaut her keine starre Vorgabe, weil der Gesetzgeber die Befristung auf ein Jahr selbst nur als Regelfall vorsieht.
Der Grundsicherungsbescheid kann sich daher entsprechend den Umstรคnden des Einzelfalls auch auf einen kรผrzeren oder lรคngeren Zeitraum beziehen.
Folglich sei es nach der gesetzlichen Regel nicht ausgeschlossen, eine davon abweichende Leistungsperiode bzw. eine kรผrzere Festsetzung des Leistungszeitraums festzusetzen. Dies ist aber begrรผndungs- bzw. rechtfertigungsbedรผrftig.
Leitsรคtze Gericht
1. Fรผr die Festsetzung eines von der Regel des ยง 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII abweichenden Bewilligungszeitraumes ist ein sachlicher Grund hinreichend. Unzulรคssig ist eine regelhaftes Unterlaufen der gesetzlichen Wertung des ยง 44 Abs. 3 Satz 1 SGB XII.
2. Art. 3 Abs. 3 GG schรผtzt รผber das Merkmal “Herkunft” nicht vor Diskriminierung allein in Bezug auf den gegenwรคrtigen รถkonomischen Status (Obdachlosigkeit). Aktuell entschieden vom LSG Hessen, Urteil vom 13.11.2024 – L 4 SO 88/22 –
Praxistipp: zur Vorlage von Kontoauszรผgen auch bei sehr kurzen Bewilligungszeitrรคumen
SG Mรผnchen, Beschluss v. 08.08.2023 โ S 46 SO 266/23 ER โ nachfolgend LSG Bayern, Beschluss v. 24.11.2023 โ L 8 SO 176/23 B ER โ nachfolgend Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht vom 10.01.2024 โ Az.: โ 1 BvR 2397/23 โ abgelehnt
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung: Vorlage der Kontoauszรผge auch bei kurzem Bewilligungszeitraum
1. Bewilligungszeitraum von weniger als sechs Monaten ist mรถglich ( hier 3 Monate )
2. Dass sich bei einer rechtmรครigen Beschrรคnkung des Bewilligungszeitraum auf drei Monate durchgรคngige Kontoauszรผge ergeben, ist nicht zu beanstanden.
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und spรคter aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wรถchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.