Eine an Diabetes-Typ 1 erkrankte Jugendliche gilt regelmรครig ab dem 16. Lebensjahr nicht mehr als โhilflosโ. Kann die Betroffene selbststรคndig ihren Blutzucker kontrollieren und kommt sie gut mit einer versorgten Insulinpumpe zurecht, sei die in den Versorgungsmedizinischen Grundsรคtzen (VMG) enthaltene Annahme, dass dann keine Hilflosigkeit mehr vorliege, nicht zu beanstanden, entschied das Sozialgericht Dortmund in einem am Donnerstag, 27. Mรคrz 2025 bekanntgegebenen, rechtskrรคftigen Urteil (Az.: S 40 SB 1685/21).
Ab 16 gelten Typ-1-Diabetiker regelmรครig nicht mehr als โhilflosโ
Die im Jahr 2004 geborene Klรคgerin ist an einem insulinpflichtigen Diabetes Typ 1 erkrankt. Da bei Kindern ein erhรถhter Hilfebedarf, etwa bei der Blutzuckereinstellung, pauschal angenommen wird, wird ihnen im Schwerbehindertenrecht das Merkzeichen โHโ (hilflos) zuerkannt. So wurde bei der Klรคgerin zunรคchst 2009 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 und dann ab Ende Juni 2011 ein GdB von 50 sowie das Merkzeichen โHโ festgestellt.
Das Merkzeichen ist mit Steuervorteilen verbunden, wie einen Pauschbetrag fรผr Menschen mit Behinderungen, einen Pflegepauschbetrag und eine Kraftfahrzeugsteuerbefreiung. Auch kann der รถffentliche Nahverkehr unentgeltlich genutzt werden.
Als die Klรคgerin 16 Jahre alt wurde, wurde ihr GdB wieder auf 40 zurรผckgestuft und ihr das Merkzeichen โHโ entzogen. Die Regelungen in den Versorgungsmedizinischen Grundsรคtzen gehen davon aus, dass nicht mehr eine โHilflosigkeitโ angenommen werden kรถnne, wenn Jugendliche mit Diabetes Typ 1 das 16. Lebensjahr erreicht haben, so die Begrรผndung.
Nur bei fortbestehender instabiler Stoffwechsellage sei โHilflosigkeitโ auch bis Vollendung des 18. Lebensjahrs anzunehmen.
Sozialgericht Dortmund: Kein Anspruch mehr auf das Merkzeichen โHโ
Das Sozialgericht urteilte am 12. Juni 2024, dass die Klรคgerin keinen Anspruch auf das Merkzeichen โHโ habe. Denn die Klรคgerin sei รคlter als 16 Jahre. Sie kontrolliere nun selbststรคndig ihren Blutzucker und komme gut mit ihrer Insulinpumpe zurecht.
Auch die Eltern hรคtten bestรคtigt, dass die Tochter โerhebliche Selbststรคndigkeitโ im Umgang mit der Krankheit zeige und nur wenig Unterstรผtzung brauche.
Zwar sei nach der Schwerbehindertenausweisverordnung und dem Einkommensteuergesetz eine Person im jeweiligen Einzelfall auch โhilflosโ, wenn sie fรผr eine Reihe von hรคufig und regelmรครig wiederkehrenden Verrichtungen tรคglich fremder Hilfe dauernd bedarf oder hierfรผr eine รberwachung oder Anleitung erforderlich ist.
Nur bei erheblichem Hilfebedarf Anspruch
Das Bundessozialgericht (BSG) hatte hierzu am 12. Februar 2003 geurteilt, dass ein โerheblicherโ Hilfebedarf vorliegen mรผsse (Az.: B 9 SB 1/02 R). Dies kรถnne angenommen werden, wenn mindestens zwei Stunden tรคglich ein Betroffener Hilfe benรถtigt. Bei der Klรคgerin sei dies aber nicht der Fall, urteilte das Sozialgericht.