Jobcenter dürfen Versagung – bzw. Entziehungsbescheide gegenüber Bürgergeld- Beziehern – nicht als Strafnorm mit anschließender Sanktionierung benutzen.
Der § 66 SGB I ist nämlich keine Strafnorm, die zur Sanktionierung genutzt werden kann, wenn der Betroffene Angaben nicht macht, die die Behörde aus anderweitigen Gründen als der Prüfung des aktuellen Leistungsanspruchs erlangen möchte. Das Jobcenter handelt rechtswidrig bei Erzwingung von Angaben ohne Relevanz für den aktuellen Anspruch.
Denn Ein vom JobCenter auf § 66 SGB 1 gestützter Entzug laufender Bürgergeld – Leistungen ist rechtswidrig, wenn auch ohne die gewünschten Angaben des Betroffenen die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch bestehen.
Die Jobcenter verkennen, dass § 66 SGB 1 keine Strafbestimmung ist, mit der das Unterlassen sonstiger Angaben sanktioniert werden kann. ( SG Reutlingen ( S 7 AS 179/18 ).
Das Jobcenter meint, es sei zu einer Entziehung der Leistungen auf der Grundlage von § 66 SGB I berechtigt gewesen, weil der Leistungsempfänger Zeit und Ort seiner Abwesenheit nicht mitgeteilt hatte.
Diese Auffassung deckt sich aber – nicht mit Recht und Gesetz, so ausdrücklich die 7. Kammer des Sozialgerichts Reutlingen.
Denn Versagung und Entziehung des Bürgergeldes nach § 66 Abs. 1 SGB I setzen nicht allein an der objektiv vorliegenden Obliegenheitsverletzung an, sondern es wird zusätzlich vorausgesetzt, dass diese für eine erhebliche Erschwerung der Sachverhaltsaufklärung ursächlich wird.
Eine Versagung oder Entziehung von Sozialleistungen kommt trotz einer Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der Leistungen nicht anderweitig nachgewiesen sind.
Versagung und Entziehung von Bürgergeld ( § 66 SGB I) darf vom Jobcenter – nicht als Strafnorm benutzt werden
Der Anwendungsbereich des § 66 SGB I ist hiernach nur eröffnet, wenn die Sache nicht entscheidungsreif ist.
§ 66 SGB I ist nämlich keine Strafnorm, die zur Sanktionierung genutzt werden kann, wenn der Betroffene Angaben nicht macht, die die Behörde aus anderweitigen Gründen als der Prüfung des aktuellen Leistungsanspruchs erlangen möchte.
§ 66 SGB I wurde vom JobCenter vorliegend dazu benutzt, eine Angabe zu erzwingen, die für die laufende Leistungsentscheidung nicht relevant war.
Denn – auch ohne die gewünschten Angaben des Betroffenen die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch.
Soweit das JobCenter – eventuell um mit der Begründung von Ortsabwesenheit eine Aufhebungs- oder Rücknahmeentscheidung vorzubereiten – die genaue Zeit und den Ort der Abwesenheit des Klägers erfahren wollte, konnte es auf die Säumigkeit des Klägers daher nicht mit einer Entziehung der Leistungen reagieren.
Da diese Entscheidung existenzsichernde Ansprüche des Bürgergeld-Empfängers betraf, war sie überdies völlig unverhältnismäßig.
Fazit:
Deutschlands Jobcenter müssen beachten, dass ihre Versagungsbescheide von ALG 2 – Leistungen – keine ” STRAFNORM” darstellen dürfen, womit Bürgergeld- Bezieher sanktioniert werden sollen.
Anmerkung Detlef Brock – Experte für Sozialrecht zum Bürgergeld/Sozialhilfe
Die Jobcenter müssen und haben zu beachten, dass ihren Versagung – bzw. Entziehungsbescheiden bei der dauerhaften Leistungsentziehung für die Zukunft – keine Sanktionswirkung beikommt, denn obwohl die Versagung von Leistungen keinen Sanktionscharakter haben soll (Mrozynski, Kommentar zum SGB I, 6. Aufl. § 66 Rn. 1 m.w.N.), weil es vielmehr im Kern um die Klärung des Leistungsanspruchs geht (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I), tun sie es doch immer wieder.
Versagungsbescheide dürfen von Jobcentern nicht als Strafnorm genutzt werden.