Ein Wechsel von einer Altersrente in eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist ausgeschlossen, wenn bereits die Altersrente bezogen wird. So urteilte das Landessozialgericht Baden-Württemberg. (L 10 R 717/24)
Der Betroffene arbeitete als Industriekaufmann und Programmierer, als Fahrer, Servicekraft und Lagerarbeiter, wurde arbeitsunfähig, bezog Krankengeld und seit Juli 2023 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Inhaltsverzeichnis
Der erste Antrag auf Erwerbsminderungsrente
Bereits 2012 hatte er bei der Rentenversicherung einen Antrag auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gestellt. Diesen hatte die Rentenkasse auf der Basis medizinischer Ermittlung abgelehnt, da keine Erwerbsminderung vorliege. Eine Klage des Betroffenen vor dem Sozialgericht Mannheim blieb erfolglos.
Der zweite Antrag auf Erwerbsminderungsrente
Der gelernte Kaufmann beantragte 2021 erneut eine Erwerbsminderungsrente und unterfütterte diesen zweiten Antrag mit vorherigen Reha-Verfahren, die er ärztlich auswerten ließ. Die Sozialmedizin sah weiterhin keine Erwerbsminderung und hielt ihn für geeignet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch länger als sechs Stunden pro Tag auszuüben. Deshalb lehnte die Rentenversicherung auch den zweiten Antrag ab.
Medizinisches Gutachten sieht keine Erwerbsminderung
Der Betroffene legte Widerspruch ein und unterstützte diesen durch zusätzlich bildgebende medizinische Befunde. Ein ausführliches Gutachten kam zu umfassenden Befunden.
Wörtlich hieß es: “ein allenfalls leichtes Bewegungs- und Belastungsdefizit der Lendenwirbelsäule (LWS) bei degenerativem Verschleiß ohne neurologische Ausfälle und ohne funktionelle Einschränkungen, ein endgradiges Bewegungs- und Belastungsdefizit der rechten Schulter (…), ein bekanntes rezidivierendes Belastungsdefizit bei bipolar-affektiver Psychose (…) sowie einen Tinnitus aurium.”
Es bestünden zwar Einschränkungen (er könne nicht auf Leitern und Gerüste steigen, nicht unter besonderem Zeitdruck und nicht nachts arbeiten sowie sich nicht häufig bücken), doch er sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Die Rentenversicherung wies aufgrund dieses Gutachtens auch den Widerspruch zurück.
Auch die behandelnden Ärzte halten ihn für arbeitsfähig
Es ging vor das Sozialgericht, und hier hielten auch die behandelnden Ärzte den Betroffenen für fähig, länger als sechs Stunden pro Tag auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein und stellten damit keine Erwerbsminderung fest. Es gebe allerdings Einschränkungen wegen hypomanen Phasen und einer Schmerzstörung.
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Der dritte Antrag auf Erwerbsminderungsrente scheitert
Nach einer Reha im März und April 2024 erklärten ihn die zuständigen Orthopäden und Verhaltensmediziner jedoch für kurzzeitig arbeitsunfähig, langfristig aber für fähig, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als sechs Stunden zu leisten.
Im September 2023 lehnte die Rentenversicherung den dritten Antrag des Betroffenen auf eine Erwerbsminderungsrente ab und wies im Dezember desselben Jahres den Widerspruch des Betroffenen zurück.
Keine Chance auf dem Arbeitsmarkt, erneute Klage
Der Betroffene klagte vor dem Sozialgericht (Az: S 8 R 31/24). Er begründete dies damit, dass er seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit nicht mehr habe nachgehen könne, dass er keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt hätte, dass er mehr als 45 Jahre gearbeitet und Beiträge bin die Rentenversicherung gezahlt hätte.
Außerdem habe er die letzten acht Monate alles getan, um sich körperlich fit zu halten und schwere Arbeit zu vermeiden. Trotzdem leiede er unter permanenten und undefinierbaren Schmerzen, und orthopädische Probleme schränkten ihn ein.
Das Sozialgericht wies die Klage ab. Seit Beginn seiner Altersrente am 01.07.2023 hätte es keinen Zustand gegeben, der einer leichten beruflichen Tätigkeit von sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen entgegen stünde.
Keine Erwerbsminderung nach Eintritt in die Altersrente
Das Berufungsverfahren des Klägers vor dem Landessozialgericht blieb ebenfalls erfolglos. Dieses beschäftigte sich nicht mit der Frage, ob eine Erwerbsminderung vorliegt oder nicht, sondern entschied, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von vorneherein nicht in Betracht kommt.
Denn dieser Anspruch bestünde generell nur bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze. Eine entsprechende Erwerbsminderung hätte spätestens im Juni 2023 eintreten müssen, den seit dem 19.10.2023 würde er Altersrente beziehen. Auch eine Erwerbsminderung könnte dann nicht mehr zu einer Erwerbsminderungsrente führen.
Wörtlich hieß es: “Der Wechsel von einer Altersrente in eine andere Rente ist danach ausgeschlossen, wenn bereits eine Altersrente bezogen wird und zu einem späteren Zeitpunkt die Voraussetzungen (u.a.) für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl. § 33 Abs. 3 und 5 SGB VI) erfüllt werden bzw. sich für diese „zweite“ Rente ein späterer Rentenbeginn als für die erste ergibt.”
45 Jahre Beiträge und Schwerbehinderung spielen keine Rolle für eine Erwerbsminderung
Das Gericht führte weiterhin aus: “Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass es für eine (medizinische) Erwerbsminderung von vornherein keinerlei Rolle spielt, dass der Kläger – wie er meint – „45 Jahre gearbeitet und Beiträge in die Rentenversicherung gezahlt“ hat.
Ebenso verhält es sich hinsichtlich seiner Schwerbehinderteneigenschaft – derentwegen ihm Altersrente für schwerbehinderte Menschen hat bewilligt werden können -, weil ein GdB nichts über die zumutbare berufliche Einsetzbarkeit eines Versicherten aussagt (BSG 17.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris, Rn. 5).”
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.